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Über Exen, Durststrecken und Fluchtfahrzeuge!

Mit 15 hatte ich zum ersten Mal einen fixen Freund, seitdem war ich, alles zusammengerechnet, zehn Jahre in Beziehungen, das klingt verdammt lange. Zwischen diesen Beziehungen war ich mehr oder weniger lange Single, hatte Dates und vor allem nie Probleme, jemanden kennenzulernen, es hatte sich immer einfach so ergeben. Vielleicht war es, weil ich nicht wirklich auf der Suche war, vielleicht weil das Umfeld in Studienzeiten besser geeignet war, um neuen Männern zu begegenen, vielleicht weil meine Ansprüche im Vergleich zu heute um einiges geringer waren. Im Moment denke ich viel über meine vergangenen Singlezeiten nach und grüble, warum mir damals alles so viel leichter fiel als heute und warum es sich gerade so endlos mühsam anfühlt!

 

Meine erste Beziehung dauerte sechseinhalb Jahre, wir waren Teenager, haben zusammen maturiert, sind praktisch gleichzeitig ins Studium gestartet und im selben Monat in unsere jeweils eigene Wohnung gezogen. Kurz darauf haben wir uns getrennt, haben von ewiger Freundschaft geschwafelt und anfangs sporadisch Kontakt gehalten. Nach dieser Trennung habe ich eine Woche geweint, aber dann war's eigentlich okay, unsere Zeit war abgelaufen und genauso hatte es sich angefühlt. Ich hatte mich durchs philologische Studium verändert, neue Bekanntschaften geknüpft und eine andere Vorstellung von einer balancierten Beziehung, die Trennung war ein Befreiungsschlag von allem, was mir schon lange zu wenig war, obwohl ich es noch nicht wusste. Nach diesem ersten November – Allerheiligen ist leicht zu merken – hab ich 14 Monate lang niemanden getroffen, ich wusste einfach nicht, wie Dates funktionieren und trug auch sehr viel Groll gegen die Männerwelt mit mir herum und natürlich auch Wehmut, weil so viele Jahre mit einer Person Spuren hinterlassen, auch wenn ich hinter meiner Entscheidung stand. Und dann, ganz von allein und ohne großen Aufwand kamen sie, meine zahlreichen Fluchtfahrzeuge.

Der erste war ein Musiker, unglaublich sexy und wohlbekannt am Haus, wir gingen aus, danach tanzen und ich blieb über Nacht. Es wurde eine lange Affäre draus, unverbindlich, herrlich unkompliziert und wahnsinnig aufregend für mich, die bis in die frühen Zwanziger mit nur einem Mann zusammen war. Irgendwann traf dieser Musiker eine Frau, mit der er zusammen sein wollte – ironischerweise wäre ich das zu bestimmten Zeiten selbst gerne gewesen, obwohl dieser Typ alles andere als Boyfriend-Material war – es gab also ein Aus. War mir ziemlich egal, weil das nächste Fluchtfahrzeug schon auf mich wartete, ohne großen Aufwand und ohne zermürbende Gedanken. Zu dieser Zeit, mitten im Masterstudium und sehr fokussiert auf meine Ausbildung, war unverbindlich mein Lieblingswort. In die darauffolgenden zwei Beziehungen bin ich praktisch gestolpert, es hatte sich gut angefühlt, dass diese Männer so begeistert von mir waren und mich ihren Familien vorstellen wollten, ob meine Gefühle aufrichtig waren, bin ich mir im Nachhinein nicht mehr so sicher.


Mein zweiter Freund, ein Wirtschaftsstudent, war ernst, kalkuliert, ein bisschen hedonistisch veranlagt und sehr ehrgeizig, ganz anders, als alle, die ich zuvor gedatet hatte. Bei unserem ersten Date fand ich ihn langweilig, zu sehr von sich überzeugt und humorlos, aber – und jetzt kommen die Daddy-Issues ins Spiel – er war umsorgend, hat mich mit Komplimenten überhäuft, ist mit Blumen am Bahnhof gestanden, mit mir nach Portugal verreist und hat die drei Worte schneller gesagt, als ich meinen Vinho Verde austrinken konnte. Also war ich in einer Beziehung, hab mich seinen Bedürfnissen angepasst, Kleider statt Hosen getragen, seine Serien geschaut, seine Vorstellungen gelebt. Verliebt? – ich fürchte, das war ich zu jenem Zeitpunkt nicht, aber ich mochte die Idee und die Sicherheit, nach einem halben Jahr war das aber doch zu wenig. Nach dem Tag unserer Trennung stand das nächste Fluchtfahrzeug parat. Diesen Mann, ein Medizinstudent, mochte ich wirklich gern, hat aber zu nichts geführt und ich hab's nochmal mit dem Ex probiert, um mir nach einem weiteren halben Jahr ganz sicher zu sein, dass er nicht der Richtige für mich war. Aus. Kurz und schmerzlos.

Meine dritte Beziehung, ich ging übrigens auch mit Freund A eine Beziehung ein, weil er es wollte, und erkenne jetzt reflektierend doch ein Muster, war ein Südländer. Wahnsinnig leidenschaftlich, übertrieben eifersüchtig, ein wenig perspektivenlos und unverschämt gutaussehend. Er war ein Tinderdate, nur einige Wochen nach der endgültigen Trennung von meinem zweiten Freund, wir waren praktisch nach einer Woche zusammen, weil er wollte, dass ich seine Freundin bin. Ich hab diplomatisch zugestimmt, schließlich war ich in der Studienabschlussphase und ein fixer Freund hörte sich entspannt an. Rückblickend mochte ich diesen Mann auch richtig gerne, weil er alles hatte, was Freund B nicht vorweisen konnte und – Daddy-Issues again – kreativ, impulsiv und hitzköpfig war, ein schöner Gegensatz zu meinem anstrengenden Alltag. Wenige Monate später, mit Abschluss in der Hand, hab ich mich getrennt, er sprach von Kindern und Heirat und mit 26 fühlte ich mich damals dafür eindeutig zu jung. Außerdem wollte ich zurück nach Tirol, ohne Anhängsel im Gepäck. Erneut empfand ich weder Liebeskummer noch Wehmut.

Zuhause ging der Dating-Wahnsinn dann erst richtig los. Ich war mit dem Studium fertig, im Praktikum massiv unterbeschäftigt und hatte in Tirol nur wenige Freundschaften, dafür viele männliche Bekanntschaften. Daten war ein Spiel und ich liebe es zu gewinnen. Das mag jetzt sehr herzlos klingen, aber interessiert hat mich in diesen Jahren kaum jemand, die wenigen, die ich wirklich gut fand, wollten keine Beziehung, und die anderen habe ich stehen gelassen, sobald sich etwas Spannenderes ergeben hat. Das unkomplizierte aber auch sehr problematische an diesem Verhalten? Ich bin jeglicher Konfrontation aus dem Weg gegangen, hab mich kaum jemandem geöffnet, war nicht authentisch, hab Rollen eingenommen, die zum jeweiligen Mann passten und nie mit offenen Karten gespielt bzw. meine eigenen Bedürfnisse klar kommuniziert und Grenzen gesetzt. Immer auf der Flucht, aber nie allein.


Und dann kam er, mein letzter Freund. Wenn ich an unser erstes Date denke, muss ich schmunzeln, weil alles so stimmig war. Am nächsten Tag hatte ich alle anderen Brücken abgebrochen. Nach viel hin und her, 2 Monaten Funkstille und einem sehr spannenden zweiten ersten Date waren wir dann zusammen, obwohl der Kopf anfangs skeptisch war, hab ich meinem Bauchgefühl vertraut. Dass diese Beziehung gescheitert ist, macht ihren Beginn nicht minder schön. Ich war bereit für etwas Festes, weil der Mann sich richtig angefühlt hat und ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, nicht ich selbst sein zu können. Zum ersten Mal gab es auch kein Back-up, keine Fluchtfahrzeuge im Hintergrund, keine Flirtereien und kein Interesse weiterzuziehen, aber nach wie vor habe ich mir schwer getan, zu kommunizieren und mir sicher zu sein, was ich will.


Nun, eigentlich wollte ich nur ganz kurz – war jetzt doch länger – hinführen, worum es in diesem Beitrag gehen sollte, die jetzige Situation und wie sich im Vergleich zu damals alles ganz anders anfühlt. Ich bin jetzt dann bald ein Jahr Single, der Sommer ist eingezogen, überall hört man von verschobenen Hochzeitsplänen, Pärchen sitzen wieder im Restaurant und Babybäuche werden in engen Schlauchkleidern durch die Gegend kutschiert. Der Lockdown hat mir zum einen mein altes Muster – ein Fluchtfahrzeug – verwehrt und mich zum anderen dazu gezwungen, mich richtig intensiv mit mir selbst auseinanderzusetzen. Das hab ich getan, viele Wochen und Monate lang, mit vielen Tränen, unnützem Tinder-Geswipe und viel Selbstreflexion, alleine und mit einer Therapeutin. Diese Durststrecke war lang, ich wäre jetzt bereit jemanden kennenzulernen, nicht mehr alleine aufzuwachen, ankommen, weil mein Bedarf an gescheiterten Beziehungen durchaus gedeckt ist. Aber, und das ist bitter und neu, es ergibt sich nichts, nicht einmal etwas Unverbindliches. Wie auch, im beruflichen Umfeld gibt es niemanden, Tinder lehne ich seit kurzem bewusst ab und beim Ausgehen jemanden zu treffen, war noch nie mein Glück. Daten in den Dreißigern ist scheiße, allein der Gedanke jemanden suchen zu müssen, lässt mich verzagen, die Durststrecke ist inzwischen nervig lange, alles fühlt sich ein wenig aussichtslos an.

Dazu kommt, dass ich langsam wirklich genau weiß, was ich will und was definitv nicht. So viel steht fest, die Liste meiner "Kriterien" hat sich vervielfacht und die Luft wird immer dünner. Ich bin nicht mehr bereit, mich zu verbiegen oder zurückzustecken, mein Leben ist auch ohne Mann schön, auf nichts, was ich jetzt habe oder tue, möchte ich verzichten. Und ich trage diesen riesigen Rucksack mit dem ganzen Ballast der vergangene Jahre mit mir herum, viel Misstrauen, Enttäuschung und Verletzlichkeit. Ein blödes Zusammenspiel, es gibt zu viele rote Flaggen, die ich nicht mehr übersehen kann, zu viele Ansprüche, die ich nicht mehr zurückschrauben will und zu viele Erwartungen, die jegliche Leichtigkeit nehmen. Manchmal sehne ich mich doch wieder nach einem umkomplizierten Fluchtfahrzeug, aber tief drin finde ich die Idee inzwischen völlig uninteressant. Leider habe ich für mich noch keinen Weg aus dem Status-Quo gefunden, ich versuche offen zu sein und Chancen zu geben, zu vertrauen und mich zu entspannen und vor allem nicht auf jemanden zu warten, der mich rettet.


Dennoch, die Uhr tickt und ich hör sie jeden Tag lauter!

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