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  • Autorenbilddiedreißigerin

Wenn die Welt schmerzt!

Eigentlich wollte ich mit einem leichten Beitrag nach der kleinen Pause zurückkommen, euch ein bisschen von den schönen Ferien, dem tollen Wetter, dem süßen Leben in Italien und dem Frühlingsgefühl im Bauch erzählen, aber die letzten zwei Wochen, in denen ich Kraft tanken und mich auf die Sonnenseiten des Lebens konzentrieren wollte, haben eine neue Schwere mit sich gebracht. Weltschmerz sagt das Wörterbuch, nervöse Rötungen und ein rasender Herzschlag antwortet mein Körper, schlaflose Nächte und Lethargie meint die Psyche.

 
Die Welt geht unter, darf ich lächeln?

Es ist gerade wieder alles ein bisschen viel, es vergeht praktisch kein Tag, an dem nicht die nächste Schreckensmeldung aus den Nachrichten schreit. Düster ist es in der Welt und düster wird es im Kopf, wenn dystopische Prognosen den letzten Hoffnungsfunken im Keim ersticken zu scheinen. Armut, Ungerechtigkeiten, Klimawandel, Artensterben, Umweltkatastrophen, Pandemien und jetzt Krieg? Das alles scheint so überwältigend zu sein, dass ich manchmal gar nicht mehr mit dem Fühlen und Verarbeiten hinterherkomme. Ohnmacht und Schuld machen sich breit, nichts kann ich tun, um die Situation zu ändern und nichts kann ich dafür, dass ich in so einem privilegierten Land geboren worden bin und mit allen erdenklichen Vorzügen in der Tasche durchs Leben spaziere.

Im Moment empfinde ich es als sehr schwierig die Balance zu finden. Darf ich es mir gut gehen lassen, wenn andere gerade aus ihrem Land flüchten müssen? Darf ich Vasen und schöne Dinge für meine Wohnung kaufen, wenn manche gerade ihr Haus durch Überschwemmungen verloren haben? Darf ich mir Bio-Avocados und Brunch-Buffets gönnen, wenn viele gerade vor dem Nichts stehen? Kaum scheint die Pandemie überstanden zu sein, klopfen die nächsten Katastrophen an. Und dann wiederum empfinde ich die Dramatisierung derzeitiger Ereignisse als heuchlerisch, wenn wir seit Jahrzehnten hören, dass es in vielen Gebieten nicht genug Nahrung und sauberes Trinkwasser gibt, dass nach wie vor alle 10 Sekunden weltweit ein Kind an Hunger stirbt, dass, seit ich denken kann, zum Klimaschutz aufgerufen wird und sich trotzdem nur im Schneckentempo etwas verändert. Wo soll das Mitgefühl hin, wenn es überall brennt, wohin sollen die Spenden, wenn an allen Ecken und Enden Bedarf ist?


Vom Großen ins Kleine und wieder zurück...

Solche Gedanken holen mich runter von meiner rosaroten Wolke, auf der ich mich oft genug beschwere, wie mühsam ich es manchmal habe. Im Angesicht der Makroprobleme wirken meine Mikroproblemchen fast schon beschämend und trotzdem sind sie weiterhin da. Die Preise steigen fröhlich, ich werde mir nie etwas leisten können, alle heiraten, ich bleib mit Sicherheit übrig, Kinder in diese Welt zu setzen ist unverantwortlich und irgendwann sind wir sowieso alle tot, wozu also die Mühe.

Wenn das Gedankenkarussell einmal losgefahren ist, gibt es in alle Richtungen praktisch kein Halten mehr und ich verfalle in eine alles einnehmende Melancholie. Weltschmerz ist die Bürde der Millennials, laut Statistiken empfindet keine andere Generation das Leid der Welt auf ihren Schultern so wie wir. Eine Generation des Umbruchs, zwischen Möglichkeiten und Grenzen, Verantwortungsbewusstsein und Hilflosigkeit.


Die Folge?

Logische Konsequenz, mein Weltschmerz und eine fast schon erschreckende Taubheit geben sich die Hand. Truppen, die in ein Land marschieren, und Menschen, die flüchten müssen, schockieren mich kaum. Waldbrände und Überschwemmungen? – schon zu oft gesehen. Caritaswerbungen mit verhungernden Kindern gehören seit jeher zu meinem Alltag und dass die Welt in 50 Jahren aufgrund der Erwärmung dem Chaos verfällt, höre ich praktisch auch wöchentlich. Es gibt Tage, an denen ich über furchtbare Ereignisse lese und danach bestelle ich schokolierte Edelnüsse und beschwere mich bei einem Fairtrade-Kaffee über die Inkompetenz des männlichen Geschlechts vernünftig zu kommunizieren. Ich sehe Bilder von Zerstörung und Krieg und fühle mich danach mies, weil mein Spiegelbild mir zwei neue Pickel präsentiert.

Wie absurd, wie unverständlich, wie traurig und wie ärgerlich? Wo ist die Mitte, wann ist es zu viel Anteilnahme und wann zu wenig, worüber darf ich mir den Kopf zerbrechen und wo muss ein Punkt gesetzt werden? Wo muss und darf ich mich schützen, wovor darf ich aber nicht die Augen schließen? Wie gesagt, im Moment ist es wieder ein bisschen schwer und noch ein bisschen schwerer, weil es schwer ist. Am Ende meiner Abwärtsspirale steht immer das Schuldgefühl, dass ich mich überhaupt mies fühle, obwohl andere mir „richtigen“ Problemen zu tun haben und dann beginnt das Spiel wieder von vorne. Noch dazu, darf ich hier überhaupt persönliche Gedanken teilen, mein Empfinden in den Mittelpunkt stellen, wenn woanders Raketen fliegen? Es ist zu viel und ich weiß gar nicht mehr, wie ich mich verhalten und was ich fühlen soll.


Balance ist das Zauberwort

Also musste ich die Notbremse ziehen, den Konsum von Schreckensmeldungen zurückzuschrauben (wie privilegiert!) und im Kopf auch einmal einen Punkt setzen, um nicht ständig von einem Szenario ins nächste zu rutschen. Bereits in der Pandemie habe ich aufgehört, Nachrichten über Social Media Kanäle zu lesen, weil die täglichen Grafiken und Todeszahlen zu einer Belastung wurden. Ich denke aber auch, dass es weiterhin notwendig ist, sich zu informieren, ordentliche Ressourcen zu nützen und Nachrichten über Weltgeschehnisse bewusst zu konsumieren. Es gibt Tage, an denen ich mich stark genug fühle, um zu recherchieren und dann gibt es eben auch Tage, an denen ich mich von einer x-beliebigen Serie unterhalten lassen möchte. Die Menge macht das Gift und es gilt selbst zu entscheiden, wieviel Negativmeldungen gerade ertragen werden können.

Auch hat es geholfen, die Grenzen meiner eigenen Handlungsmöglichkeiten zu akzeptieren und im Rahmen meiner Optionen, die bessere Wahl zu treffen. Ich kann keinen Krieg in der Ukraine stoppen, Überschwemmungen aufhalten und Österreichs CO2-Emissionen eliminieren, aber ich kann Hilfsorganisationen unterstützen, auf Fast Fashion verzichten, regional und unverpackt einkaufen, ordentlich recyceln und mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, um nur einige kleine Umstellungen zu nennen. Hin und wieder möchte ich alles hinschmeißen, weil eh alles zu spät ist und mein Tun so unerträglich insignifikant erscheint, aber am Ende des Tages, macht es mich glücklich, meinen Teil zu einer besseren Welt beizutragen und die Hoffnung, dass viele es mir gleich tun, ist noch nicht gestorben.


Dankbar sein, für das was ich habe, und meine Zeit mit lieben Menschen zu verbringen, ist wohl die wichtigste Heilung im Chaos. Ich hatte Glück, mehr als viele andere und ich habe noch immer Glück, weil ich mich in einem sicheren Land befinde, umgeben von Familie und Freunden. Diese Woche lade ich meine Eltern zu mir ein, ich gehe mit meinem leiblichen Vater Mittagessen und mit meiner besten Freundin brunchen, werde versuchen, ein paar schöne Nachrichten an Freund:innen zu verschicken und ich werde den Geburtstag eines Arbeitskollegen feiern – trinkend, lachend und tanzend. Es wird auch wieder Stunden geben, in denen ich bedrückt bin, in denen alles viel zu viel ist und ich mir eine andere Welt wünsche – auch das ist okay.


Es war schon immer so und es wird auch immer so sein, dass Menschen in der einen Hemisphäre trauern, während welche in der anderen feiern, dass Leid neben Glück und Armut neben Wohlstand existiert – das ist ungerecht und fühlt sich ganz furchtbar willkürlich an, aber es gilt im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zu handeln und etwas für ein besseres Ganzes beizutragen.

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