Eine kleine Auszeit & ein großes Fragezeichen!
- diedreißigerin

- 13. Sept.
- 5 Min. Lesezeit
Einfach dem Bauchgefühl folgen und den Kopf und die Zweifel ein bisschen ausschalten, der Intuition vertrauen und auf die Signale meines Körpers achten – das alles hat zu einem geführt: einer Auszeit. Wer hätte das gedacht, ich am allerwenigsten, aber mit jedem kleinen Schritt in diese Richtung hat sich die Gewissheit eingestellt, dass das die einzig richtige Entscheidung war und es Zeit wird, mir selbst und dieser Idee zu vertrauen. Aber zurück zum Start, zu diesen Zeilen hat ein langer und steiniger Weg geführt und ganz vieles ist jetzt genau dort, wo ich mich gar nicht gern aufhalte, im Ungewissen.
Zu viel gibt’s nicht
Ich weiß, ich habe schon viel darüber gejammert, aber dieses letzte Jahr war einfach der Knaller und mir wurde erst durch die ruhigen Tage des Sommers bewusst, wie sehr ich über mich selbst getrampelt und wie erschöpft ich körperlich und emotional eigentlich bin.
2024 hatte so schön gestartet, auf einer Insel und mit all der Vorfreude auf meine Wohnung und mein neues Zuhause. Um möglichst viel zu verdienen, hatte ich gleich im Februar einen zweiten Job begonnen, sechs Unterrichtsstunden an der Musikschule zusätzlich zu meiner vollen Stelle am Gymnasium, gleichzeitig ein Opernprojekt am Landestheater gespielt und nochmal gleichzeitig die Einrichtungsarbeiten in meiner Wohnung begonnen. Die Wochen waren voll gepackt mit Arbeit und die Wochenenden mit Möbel zusammenbauen, Wände streichen und Lampen montieren. Nebenher lief immer die Betreuung meines Vaters, dessen Demenz erkennbar schlechter wurde, und natürlich mein Sozialleben, weil ich auch meine Familie, meine kleine Nichte und meine Freundinnen sehen wollte. Wenn ich das so aufschreibe, muss ich selbst mit den Augen rollen, weil das mehr als eindeutig zu viel ist, aber ich war hochmotiviert und voller Vorfreude.

Dann kamen die Schreckensdiagnose für meinen Stiefpapa, der Beinbruch meines Katers, die Herzmuskelentzündung meines Bruders, die Blutvergiftung meiner Mama und der Bruch mit meiner alten Liebe. Aber ich war stark und für alle da, das kann ich, wenn andere brechen, werde ich zu Eisen, wenn andere nicht mehr schwimmen, werde ich zur Boje. Ausbalancieren und Wogen glätten, was für andere eine tolle Qualität ist, wird mir oft selbst zum größten Verhängnis.
Und dann, dann kam der Wasserschaden bevor ich noch überhaupt eingezogen war und ich bin nicht nur gebrochen, ich bin in 1000 Teile zerschmettert und auf den tiefen Grund gesunken. Ich fühle mich wirklich selten ohnmächtig, aber an diesem Tag hab ich mich derart vom Leben verraten gefühlt, dass ich mir nicht sicher war, ob ich wieder aufstehen würde. But the show must go on, die Fassade musste stark sein, um mich mit Versicherungen und Baufirmen zu streiten, um mich weiterhin um meinen Vater zu kümmern, um weiterhin die fröhliche Tante zu sein, um weiterhin die aufmerksame Freundin zu bleiben. Ich hab in dieser Zeit kaum geweint, vermutlich hätte es das gebraucht, aber ich hatte Angst vor den aufgestauten Emotionen und so hab ich einfach weitergemacht, bin neben dem stressigen Schulanfang noch einmal eingezogen, hab weiterhin weit über 100% gearbeitet, bin auf Dates gegangen, hab jeden Sonntag meinen Vater versorgt und seine zahllosen täglichen Anrufe beantwortet, bin in der Liebe erneut gescheitert, hab das eine oder andere Drama in der Familie überstanden und mich Woche für Woche durchgekämpft.
Eine Idee & ein Berg an Ängsten
Mit dem Frühling schienen die Schultern zum ersten Mal wieder leichter zu werden und als ich dann sechs Tage alleine wandern war, ist mir das Tempo, das ich in diesen vielen Monaten zuvor durchgezogen hatte, erst so richtig bewusst geworden. Neben der ganzen Verantwortung und zu den vielen Aufgaben kommt immer noch die Angst, nicht meine Person zu finden, nicht entscheiden zu können, ob ich eine Familie haben möchte oder nicht, die Angst meine besten Jahre im falschen Job zu verschwenden, die erdrückende Angst nicht die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Als ich von Italien zurückgekommen bin, war mir sonnenklar, dass ich so nicht mehr weitermachen möchte, ich könnte das natürlich, weil ich sehr belastbar bin, aber ich möchte einfach nicht mehr. Eine Auszeit, Freiheit und Veränderung, ein kleiner Gedanke, der recht schnell zu einer lauten Idee und wenig später zu einem Plan wurde. Ich muss wieder los, muss Abstand zu allem gewinnen, muss wieder entdecken und mich neu ausprobieren, möchte mich verlieren und wiederfinden, meinen Träumen zuhören und meiner Intuition vertrauen.
Schon wieder? – fragt ihr euch, ja, das hab ich mich auch gefragt und diesen Wunsch laut auszusprechen hat viel Überwindung gekostet. So wie vor zwei Jahren ist es nicht mehr, ich habe finanzielle Verpflichtungen, mein Vater wartet nach wie vor auf einen Heimplatz und naja, jünger werd ich auch nicht, aber ich hab sehr lange gebraucht, um meine innere Stimme zu hören und jetzt möchte ich sie nicht mehr ignorieren.
Viele Pläne, aber keinen Plan
Was in diesen Monaten passieren wird, weiß ich selbst noch nicht, aber ich hab vor, mein Leben umzukrempeln und zu einer Version von mir selbst zu gelangen, die sich leichter anfühlt, die nicht nur für die Wochenenden lebt und die eine Routine entwickelt, die nachhaltig und erfüllend ist. Mein Körper zeigt mir seit Monaten, dass ich langsamer treten muss, ich kämpfe seit einiger Zeit wieder mit Neurodermitis, kann mein Gewicht kaum halten, leide vermehrt an Migräne und ständig vergesse ich Termine, die Red Flags wehen ganz deutlich, nur mein Geist will nicht einsehen, dass ich nicht unbesiegbar bin.

Ich möchte wieder kreativ werden, mehr Flöte spielen, mehr spazieren, öfter nichts tun und ich möchte mich vor allem beruflich ausprobieren. Meine letzte Auszeit war wunderschön, aber sie war auch rastlos. Ich habe mich damals sehr viel selbst herausgefordert, wollte über mich hinauswachsen und mir beweisen, dass ich alles alleine kann. Dieses Mal sehne ich mich nach Ruhe und nach Veränderung, ich möchte mutig sein, aber in erster Linie möchte ich heilen. 2024 hat Spuren hinterlassen, die ich nicht leugnen kann, ich bin erschöpft und mein Nervenkostüm ist dünn wie schon lange nicht mehr. Seit einigen Wochen bin ich super emotional, weil endlich Platz dafür ist, weil ich nicht schon wieder funktionieren muss und weil ich Zeit habe, bei mir zu bleiben.
Was kommt? – Ich weiß es nicht und ich habe alle Hände voll damit zu tun, dass ich nicht zu viele Erwartungen an dieses halbe Jahr knüpfe, dass ich nichts erreichen muss, sondern mich in erster Linie um mich kümmern darf.
Wenn ihr das lest, bin ich gerade im Norden. Diese Auszeit hat mit einer Reise begonnen, weil mir nichts mehr hilft, meinen Kopf frei zu bekommen. Wenn ich alleine unterwegs bin, existiere ich einfach ohne Rolle und ohne Druck, bereits nach den ersten zwei Tagen weit weg von zuhause war die Leichtigkeit wieder da. Ich schlafe viel, genieße die langen Autofahrten, die Spaziergänge in der Natur und die vielen neuen Eindrücke. Als ich heute Nachmittag diese Zeilen im Café geschrieben habe, sind mir ständig die Tränen übers Gesicht gelaufen, sag ja, es wird Zeit, dass ich mich um ein paar vergrabene Emotionen kümmere.
Ich weiß gar nicht, wie ich diesen Beitrag beenden möchte, ich habe weder eine Weisheit noch irgendeinen Plan parat. Manchmal ist alles zu viel und das ist okay, auch wenn ich weiß, wie privilegiert ich bin, dass ich mir diese Auszeit gönnen darf, und wie nichtig meine Herausforderungen im Vergleich zu anderen sind.
Auf die Stimme hören und die eigenen Gefühle ernst nehmen.

















Du schreibst so krass, mir sind selbst die Tränen gekommen. Wünsch dir einen schönen Start im Norden! 🥰
🥺❤️❤️
Ich habe heute schon auf deinen Beitrsg gewartet und war sehr gespannt, was du uns zu erzählen hast. Das klingt alles viel zu viel und ich wünsche dir sehr, dass du einen Gang zurück schalten kannst und stolz auf dich bist! Ich drücke dir die Daumen, dass du findest, was du suchst! Alles Liebe ❤️