top of page

Ein Narzisst bleibt selten allein!

  • Autorenbild: diedreißigerin
    diedreißigerin
  • 24. Mai
  • 6 Min. Lesezeit

Letztes Mal habe ich es schon angedeutet, mir ist etwas Blödes passiert und es fällt mir nicht leicht darüber zu schreiben, weil ich mich ein bisschen schäme. Ich hab mich einlullen lassen von schönen Worten und leiser Kritik, blenden lassen von tollen Haaren und überschwänglichen Gesten, bin zum Opfer geworden in meiner eigenen Liebesgeschichte und hab zum Schluss noch gebettelt, ein bisschen länger bleiben zu dürfen. Ja, es geht heute noch einmal um den Gen Z Mann und ganz generell um Männer, die ein gemeinsames Ziel verfolgen: die Überhand behalten. Narzissmus heißt das im Fachvokabular, eine üble Verdrehung im Beziehungskonstrukt bedeutet es in der Realität. Wieder etwas gelernt, auch wenn’s auf die harte Tour war.


Narzissmus - ein Männerproblem?

Was ist ein Narzisst kurz und knackig? – eine Person, die nur auf sich bezogen ist. Natürlich gibt’s dazu viele Theorien, verschiedene Kategorien und mehr oder weniger starke Ausprägungen, aber im Großen und Ganzen streben Narzissten immer nach extra viel Anerkennung von außen, müssen ständig validiert werden, gehen schlecht mit Kritik um und stärken ihren eigenen Selbstwert, indem sie andere klein halten bzw. ihre Überlegenheit betonen. Dass ich keine Psychologin bin, ist uns allen klar und ich möchte auch betonen, dass ich nicht von dem Krankheitsbild der narzisstischen Persönlichkeitsstörung spreche, sondern eben von Männern, die einen ausgeprägten Narzissmus aufweisen, der über ein gesundes Selbstvertrauen hinausgeht.


Tatsächlich ist ein überhöhtes Selbstbild hauptsächlich ein Männerproblem oder vielleicht besser gesagt, eine Charakteristik, die Männer aufweisen und die später zu einem Problem für Frauen wird. Ich hab unzählige Studien darüber gelesen und wie so oft, lässt sich die (fehlende) frühkindliche Bindung – in erster Linie zur Mutter – als Ursache festmachen. Wer als Kind zu wenig Aufmerksamkeit, Bestätigung und Liebe erfahren hat, ist auf der ständigen Suche nach eben diesen Emotionen im Erwachsenenalter und da Männer verhältnismäßig seltener zur Therapie gehen (so viele Studien!), tragen sie ihren Narzissmus durch die Gegend und überschütten die Frauenwelt damit.



Aber naja, mich hat’s auch getroffen und das, obwohl ich mir sicher war, dass mir das nie passieren würde. Die Stunden, vermutlich Tage, in denen ich Podcasts von Betroffenen gehört habe, in denen ich Essays über toxische Beziehungen gelesen habe und in denen ich selbst in Therapiestunden über meine Verhaltensmuster reflektiert habe – alles fürn Arsch, weil ein paar dunkle Augen und schöne Locken mir gesagt haben, dass ich großartig bin. Ich überspitze hier natürlich maßlos, anders ertrage ich es kaum, aber lest selbst.    



Stufe 1: Lovebombing

DU BIST UNGLAUBLICH! Ich hab über die Kennenlernphase mit dem Gen Z Mann bereits geschrieben, es war alles fast ein bisschen zu perfekt, um wahr zu sein. Das Interesse an meiner Musik, die langen Gespräche, die verträumten Blicke, ständig kleine Geschenke und liebe Gesten, all das hat sich wie der perfekte Start einer Liebesgeschichte angefühlt. Endlich jemand, der mich richtig sieht, der weiß, was ich brauche, der sich ins Zeug legt. Oh Boy – ich hab das alles aufgesaugt wie ein Kaktus nach der Trockenzeit, bereits beim fünften Date haben wir beschlossen, gemeinsam in den Süden zu fliegen, wenige Wochen später haben wir über echte Gefühle und Beziehung gesprochen, immer wieder hat er mir gesagt, wie gut wir uns ergänzen würden, dass ich mich fallen lassen könne, dass er mich hält.



Lovebombing ist der Fachausdruck für etwas, dass in der Theorie ganz schön klingt, ich werde mit Liebe überschüttet, mit Aufmerksamkeit überhäuft. Was ist die logische Konsequenz daraus – genau, es gleich zu tun. Ich habe bei diesem Mann mein eigenes Tempo ignoriert, wollte einfach eintauchen in diese Traumwelt, drauf vertrauen, dass ich jetzt auch einmal dran bin. Nicht nur eines meiner Prinzipien hab ich hinten angestellt, fragwürdige Aussagen ignoriert, meine Bedürfnisse beiseitegelegt, damit wir Zeit zusammen haben, meine Wünsche relativiert, damit er zufrieden ist – wortlos. Er ist ja so nett zu mir, da kann ich ruhig großzügig sein.



Stufe 2: Gaslighting

DU BIST GEMEIN! Rückblickend haben dann schon recht bald die ersten Red Flags im Wind geweht, aber wie so oft ist, hatte ich keine Lust sie zu sehen. Anfangs waren es kleine Kommentare wie „das müsstest du doch als Musikerin wissen“ oder Seitenhiebe, weil ich einen kleinen Freundeskreis habe, immer in einen Scherz gepackt, aber ich hab feine Antennen und gestört haben mich diese Aussagen dennoch – weggelächelt. Ziemlich schnell hat er über die verrückte Ex gesprochen, die so gemein und unfair zu ihm war. Was hab ich mir gedacht? So bin ich nicht, ich kann dir Liebe geben (einmal in die Ecke und schämen bitte).


Im Urlaub kamen dann die ersten Konflikte, ich wolle ihn in eine Schublade stecken, weil ich gesagt habe, dass wir Mittagessen einplanen müssen, wenn er etwas essen möchte (er wollte essen, italienische Restaurants machen um 14.30 zu) oder ich würde ihn nicht genug wertschätzen, nachdem er ein Restaurant eigenständig reserviert hatte (ich hab Danke gesagt und mich gefreut). Beide Male hatten wir eine Auseinandersetzung, verunsichert war ich trotzdem – bin ich einfach nicht einfühlsam genug?



Dieses Spiel ging dann weiter, immer wenn ich nicht genau so war, wie er sich es vorgestellt hatte, reagierte er mit Reserviertheit, er könne seine Gefühle gerade nicht prozessieren, ich sei zu viel, so lange bis ich mich entschuldigt habe und puh, ich hab mich fucking oft entschuldigt, besonders dafür, dass ich eine andere Meinung hatte. Einmal hat er mir erklärt, dass auch seine beste Freundin so denkt, ich sei bestimmend und würde ihn nicht genug wertschätzen. Kurz darauf, nachdem ich wieder einmal versucht hatte die Wogen zu glätten, ist es aus mir herausgeplatzt: „Wir können es auch lassen“. Ich habe es sofort zurückgenommen, aber vier volle Tage hat er mich dann warten lassen (nach ihm wäre es eine Woche gewesen), bis er kühl gesagt hat, dass es zu spät sei. Ich hab geweint, gefleht, versprochen, dass ich mich ändern würde, er hat keine Miene verzogen und ist gegangen.



Stufe 3: Tortured Poet

ICH BIN DER ARME! Nun, aber der beste Teil kommt erst, weil jetzt war er der Arme. Ich war verletzt, keine Frage, und auch traurig, aber als Opfer hab ich mich nicht gesehen, es war eben eine Beziehung, die nicht funktioniert hatte, ich wurde stehen gelassen, aber zu jenem Zeitpunkt hatte ich versucht wie eine Erwachsene das Gute zu sehen und etwas daraus zu lernen. Er hingegen hat das ABC des Opfers durchgespielt, unsere Textnachrichten herumgezeigt, einer gemeinsamen Freundin gesagt, wie unnötig meine Anwesenheit sei etc., bis ich reden wollte. War ihm auch nicht Recht, zumindest nicht ohne daraus ein Machtspiel zu machen und mich wieder eine Woche zappeln zu lassen und dann ist es mir echt wie Schuppen von den Augen gefallen: Ich habe einen Narzissten gedatet und das einzige, das es zu tun galt, war ein glatter Schlussstrich. Tschau mit Au.



Ein Löffel Aufmerksamkeit & eine Prise Verlassensangst!

Peinlich sag ich nur, ich schäme mich in Grund und Boden, dass mir das alles passiert ist, dass ich mich blenden habe lassen, dass ich nicht mehr für mich eingestanden bin und am meisten schäme ich mich dafür, dass ich darum gebettelt habe, diese Spiel noch ein bisschen länger aushalten zu dürfen. Es hat einige Therapiestunden gedauert, bis alles aufgebröselt war, mit dem traurigen Ergebnis, dass Narzissten genau in mein Muster passen und ich auch schon in der Vergangenheit dem einen oder anderen zugewunken habe.


Er hatte die perfekten Vorraussetzungen, es war Weihnachtszeit, ich hatte erfahren, dass mein Ex schon seit Langem in einer neuen Beziehung war, er sah unverschämt gut aus und kleine Gesten und schöne Worte sind meine absolute Love Language. Ich kann mich erinnern, dass ich einmal gesagt hatte, dass ich glücklich mit mir bin und mich für ihn nicht verbiegen würde, aber Spuren hat das Ganze trotzdem hinterlassen. Vor allem nach der Trennung hab ich mir viel die Schuld an allem gegeben, ich hab’s mir selbst versaut, endlich war da jemand und ich hab’s kaputt gemacht, weil ich nicht wertschätzend genug war.



Vielleicht war ich manchmal wirklich nicht meine beste Version, auch ich hab nach wie vor mit meinem Kindheitstrauma und daraus resultierenden Mustern zu kämpfen, aber ich traue mich zu behaupten, dass ich authentisch war, nicht stark, aber immerhin ehrlich mit all meinen Fehlern und Schwächen.


Tja, das Ganze ist jetzt schon fast drei Monate her und inzwischen empfinde ich nur noch Wut. In erster Linie auf mich selbst, aber auch auf ihn. Mir ist durchaus bewusst, das hinter jedem Narzisst ein Mann mit geringem Selbstwert steht, dass auch bei ihm einfach ein Muster die Zügel übernommen hat, dass er mir hoffentlich nichts Böses wollte und viele Dinge echt und liebevoll waren – trotzdem, wir sind alle selbst für unser Verhalten verantwortlich und wer nicht zur Therapie geht, wird’s nicht ändern können.

Warum ich das heute mit euch teile? Um zu zeigen, dass es manchmal einfach fucking schnell geht und Beziehungen, vor allem die toxischen, prädestiniert dafür sind, die rosa Brille vor die Augen zu klappen. Ich predige seit Jahren, dass wir immer doppelt hinterfragen müssen, ob das, was uns romantisch geboten wird, gut genug für uns ist, und bin trotzdem geradeaus ins Verderben marschiert. Das darf passieren, Hauptsache du marschierst auch wieder raus! Wie eine Prinzessin? – eigentlich gar nicht so cool, ich möchte gern gleichberechtigt und auf Augenhöhe behandelt werden.

4 Comments


Guest
May 24

Bin in Gedanken bei dir! Ich kenne diese Gefühle nur zu gut... Du bist großartig! Danke für den tollen Blog! Grüße von einer ebenfalls 30erin :-)

Like
diedreißigerin
diedreißigerin
May 25
Replying to

Vielen Dank und liebe Grüße zurück! 💕

Like

Guest
May 24

Alter Schwede, es ist einfach viel zu krass was man als Frau alles so mitmacht. Gott sei Dank bist du da gut rausgekommen. Kopf hoch, ist uns allen schon einmal passiert. Mir zumindest schon zweimal!! Alles liebe und Danke für deinen tollen Blog! 🤩

Like
diedreißigerin
diedreißigerin
May 25
Replying to

Ja, da hast du Recht, unglaublich, womit wir uns herumschlagen müssen! 🫠 Vielen Dank 💕

Like
Verpasse keinen Beitrag und abboniere diedreißigerin!

Schön, dass du hier bist!

  • Instagram
  • Facebook

© 2021 diedreißigerin

bottom of page