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Oh du fröhliches … Grenzen setzen!

Es ist der 24. Dezember, im Hintergrund läuft die Christmas Playlist, die Duftkerze füllt den Raum mit einem wohligen Duft und eingekuschelt in meine dicke Flauschdecke tippe ich diese Zeilen. Zuerst wollte ich etwas über Nächstenliebe und Familienzusammenhalt schreiben, aber nachdem ich einigen Freund:innen diese Woche zugehört habe, erscheint es mir wichtiger, über Grenzen während der Feiertage nachzudenken. Wie jedes Jahr birgt Weihnachten nicht nur gutes Essen, Geschenke und Kekse in sich, sondern auch viel Konfliktpotenzial, unausgesprochenen Gräuel und überzogene Erwartungen. Nicht wenige ziehen ein Pflichtprogramm durch und vergessen dabei auf sich selbst zu achten. Jedes Jahr lerne ich etwas dazu, ein paar Erkenntnisse möchte ich mit euch teilen.

 
Traditionen, Kommentare & Sticheleien

Bereits in der Adventszeit beginnt das scheinbar unermüdliche Programm an vorweihnachtlichen Pflichtterminen. Hier ein Glühwein, dort ein Adventsbrunch, dazwischen eine Weihnachtsfeier und ganz nebenbei noch alle Shops nach Geschenken abklappern, Pakete gestalten und Karten schreiben. Wenn ich ehrlich bin, bräuchte ich frei, damit ich diese Zeit unbeschadet überstehe. Gestern war ich so müde und erschöpft, dass ich mich bereits am frühen Nachmittag ins Bett gelegt habe, damit ich für die Weihnachtstage halbwegs fit bin.


Bereits in dieser Woche konnte ich ein paar Mal nein sagen, bin ins Theater gegangen und hab erst danach bei der Weihnachtsfeier vorbeigeschaut und auch das eine oder andere Treffen wurde auf nach die Feiertage verschoben, weil eben nicht alles gleichzeitig funktioniert. Ich habe so schon keinen Ton Flöte gespielt geschweige denn mich ausreichend bewegt oder genug geschlafen.


Das Nervenkostüm ist im Moment eher dünn und jetzt kommen erst die Familientreffen, die Anrufe und die ach so fröhliche Zeit, die den meisten – mir auch – vermutlich ein wenig zu anstrengend ist. Ich kenne die gestresste Stimmung zuhause, weil alles perfekt sein muss, die Sticheleien zwischen Oma und Mama am Esstisch und die Kommentare beim Mittagessen am Christtag – „Wo ist der Mann?“, „Du bist zu wählerisch, zu dünn, zu selbstständig, zu blablabla“– und die argwöhnischen Blicke, weil ich zu viel oder zu wenig angezogen und geschminkt bin, einfach falsch eben und das wird nicht direkt gesagt, sondern in ein Kompliment mit Unterton verpackt. Merry Christmas.


Auszeiten & Strategien

Nun, frau könnte natürlich wegfahren über Weihnachten oder die Feiertage alleine in den eigenen vier Wänden verbringen, um dem Weihnachtswahnsinn zu entgehen, aber ich glaube, dass ein paar Strategien und geplante Auszeiten auch funktionieren, um es sich selbst angenehmer zu gestalten und Tage mit der Familie haben ja auch schöne Aspekte, auf die ich nicht verzichten möchte.


Wir haben als Kernfamilie schon vor Jahren eingeführt, dass wir uns gegenseitig nichts mehr schenken, was die beste Entscheidung ever war. Ja, es liegen dann keine Geschenke unter dem Baum (es gibt auch keinen richtigen Baum mehr, haha), aber mit 30+ ist das durchaus verschmerzbar und ich bin sehr dankbar, dass ich nicht durch Geschäfte hetzen und Dinge, von denen wir eh alle schon zu viele haben, besorgen muss. Das gemeinsame Abendessen ist inzwischen auch unkompliziert, niemand (niefraud?) muss stundenlang in der Küche stehen und/oder bis frühmorgens aufräumen. Ein bisschen Antipasti, einen Fisch aus dem Rohr und das einfachste Schokoküchlein, mehr gibt es nicht und mehr brauchen wir auch nicht. Letztes Jahr haben wir nach dem Essen einen Film geschaut und sind nicht in die Kirche gegangen, auch das war sehr entspannt.


Am Christtag hab ich heuer vor, den ganzen Tag im Pyjama zu bleiben und mir einen Film nach dem anderen reinzuziehen, Kekse zu essen und mit dem Kater zu kuscheln. Unser großes Familienessen mit Onkels und Tanten väterlicherseits findet dieses Mal erst am Stefanitag statt, der 25. gehört also nur mir, um zu verschnaufen. Für besagtes Familienzusammenkommen muss ich das dicke Fell anziehen und die Antworten bereits im Vorfeld durchspielen, damit es dann keine bösen Überraschungen gibt. Ich bin die einzige Person ohne Partner:in dort – das dritte Mal in Folge – und besonders die 50+ Generation findet Gefallen daran, dies zu kommentieren. Das, was ich wirklich gerne sagen würde, sag ich natürlich nicht, weil die Stimmung dann vermutlich noch vor der Suppe auf Null wäre, aber ich darf auch kontern, am besten mit Ich-Botschaften. „Ich bin glücklicher denn je, kannst du das Gleiche behaupten?“, „Ich fühl mich wohl, so wie ich aussehe!“ oder „Ich esse meinen Nachtisch am liebsten ohne Kommentar!“. Leute verstummen, wenn sie sehen, dass es keine Angriffsfläche gibt, ob es trotzdem ein bisschen weh tut – ja –, aber die Ignoranz der anderen hat nichts mit mir zu tun und ich lass mir nicht mehr von den Onkels, Omas und Bekannten dieser Welt das Gefühl geben, dass etwas mit mir nicht stimmt und es anders sein müsste.


Nein sagen & stille Grenzen setzen

Zugegebenermaßen habe ich es etwas leichter als andere, weil die Familie mütterlicherseits in der Steiermark lebt und hier sämtliche Pflichttermine wegfallen und ich als Single auch bei keiner Schwiegerfamilie aufkreuzen muss. Ich kann mich noch an das Jahr erinnern, als ich zwei Tage lang mittags und abends eine Einladung hatte und jedes Lächeln und jeder Bissen nur mehr eine Qual waren. Heute würde ich es anders machen und nicht mehr überall zusagen.

Ich hab auch vor ein paar Jahren beschlossen, dass mein leiblicher Vater keinen Platz an Weihnachten mehr hat. Jahrelang hatte ich mich verantwortlich gefühlt, dass er am 24. versorgt ist, umgekehrt habe ich nie, auch nicht als Kind, Weihnachten bei ihm gefeiert, es gab nie einen Baum, viele Karten blieben im letzten Jahrzehnt leer und einmal musste ich mit zum Bankomaten gehen, damit er noch mein Weihnachtsgeld abheben konnte, das ich dann in die Hand gedrückt bekam. Wir werden uns nach den Feiertagen einmal treffen und das ist voll okay.


Wenn das Gefühl der Überforderung oder des Unwohlseins einsetzt, ist es Zeit Grenzen zu setzen, entweder klar artikuliert oder im Stillen. „Mir ist das dieses Jahr zu viel und es geht mir nicht mehr gut dabei“ ist ein Satz, dem niemand etwas entgegensetzen kann ohne richtig unemphatisch zu sein. Niemand sollte sich selbst zu viel zumuten, nur damit die Verwandtschaft, mit der dann vermutlich drei Oberflächlichkeiten gewechselt werden, zufrieden ist. Es darf aber auch ein bisschen geflunkert werden, zumindest zum Selbstschutz. Mein Bruder sagt seit Jahren, dass er abends noch eine Einladung hat, damit er früher vom Essen gehen und den Abend auf der Couch verbringen kann. Tut mir leid, ich habe abends schon etwas vor, dass es Zeit für mich ist, muss niemand wissen. Manche trauern in der Weihnachtszeit, weil sie einen lieben Menschen verloren haben, und wollen gar nicht feiern, auch das muss respektiert werden, ebenso der Wunsch Weihnachten mit Freunden anstatt der Familie zu verbringen. Alles was guttut, ist erlaubt.

 

In diesem Sinne wünsche ich euch ein schönes Weihnachtsfest und erholsame Feiertage, in denen ihr hoffentlich gut auf euch selbst achtet und euch nicht von einem zum nächsten Termin hetzen lasst. Eine schöne Zeit mit euren Liebsten oder euch selbst, falls ihr heuer ganz ausgestiegen seid, viele gute Kekse und die feinsten Stunden auf der Couch! Ruhe & Entspannung.


Stille Nacht.

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