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Mit 33 Jahren auf 33 Quadratmetern!

Am Montag jährt sich der Einzugstag in meine eigene Wohnung zum zweiten Mal. Damals war ich in einer verzweifelten Situation, wollte möglichst rasch aus den gemeinsamen vier Wänden raus und war überwältigt vom schwierigen Immobilienmarkt in Innsbruck – die Preise waren hoch, die Überforderung unbeschreiblich und mein Glück, so schnell etwas zu finden, im Nachhinein kaum vorstellbar. Heute, zwei Jahre später, habe ich einen unterschriebenen Kaufvertrag für mein eigenes Heim vor mir liegen, mit dieser Entscheidung kamen so einige Ängste und ganz neue Erkenntnisse.

 
Auf eigenen Beinen – von zweisam zu einsam!

Trennungen sind schwer, wenn zwei zusammen wohnen noch viel schwerer. Ich kann mich nur noch düster an die erste Woche nach dem Aus erinnern, aber es waren die wohl schwersten Tage meines Lebens, zum Schmerz kamen zusätzlich die Gewissheit, dass ich schnellstmöglich aus der gemeinsamen Wohnung, die sich nach meinem Zuhause anfühlte, raus muss und die Angst, nichts zu finden, was ich mir annähernd leisten kann. Zu dieser Zeit hatte ich noch kein unbefristetes Dienstverhältnis, meine tatsächlichen Stunden an der Schule waren ungewiss und mein Lohn im Jahr davor – an drei verschiedenen Arbeitsplätzen – war mehr als bedenklich.

Nach zwei furchtbaren Besichtigungen habe ich meine jetzige Wohnung gefunden, sie war klein aber neu renoviert und ideal gelegen, im Viertel mit Freundinnen um mich herum, auf die ich in dieser schweren Zeit zurückgreifen konnte. Die Miete war in Ordnung, immer noch horrend für die Größe, aber es würde sich ausgehen und vor allem würde ich nicht lange dort bleiben. Das war die Idee, die mich in dieser Zeit am Leben hielt. Ich würde viel weinen in dieser Wohnung, dann jemanden kennenlernen und mit meinem Prinzen in eine Wohnung ziehen, die noch viel schöner sein würde, als die davor. Ein Jahr maximal, ein Jahr war zu schaffen auf 33 Quadratmetern.

Garconniere ist so ein schönes Wort für etwas, das im Endeffekt nur mäßig Spaß macht: Einzimmerwohnung. Mein Bett steht neben meiner Couch und von der Couch sehe ich direkt in meine Küche. Ich habe einen kleinen Eingangsbereich und einen großen Balkon – nach den vielen Annoncen, die ich mir angeschaut hatte, fühlte sich das schon fast nach Luxus an. Ziemlich schnell wurde aus der neuen Wohnung mein Zuhause. Ich hab viel Liebe in jedes Detail gesteckt, das Beste aus der Situation gemacht und auch wenn ich für ein weiteres Zimmer durchaus Verbrechen begehen würde, fühl ich mich pudelwohl in meinen vier (wortwörtlich) Wänden, auch wenn ich wehmütig anderen zuhöre, wie sie von ihren Häusern und 3-Zimmer-Wohnungen berichten.


Veraltete Klischees & neue Rollen

Nun, der Prinz hat den Weg anscheinend noch nicht gefunden und vor ein paar Wochen hat die Prinzessin beschlossen, sich ihr eigenes Schloss zu schaffen, anstatt im Kämmerchen zu warten und ihr (Wohn)Glück von einem Mann abhängig zu machen. Leider fehlte es ihr massiv an Gold, also musste sie einen Pakt mit dem Kreditdrachen abschließen und ein Stückchen ihrer Freiheit aufgeben. Das Königreich war empört, konnte sie sich das alleine leisten? Würde sie mit Job, viel Meinung UND Eigenheim nicht endgültig alle Prinzen verscheuchen?

Tja, das ist die Frage der Fragen, die mich in letzter Zeit beschäftigen. Obwohl wir praktisch zur Unabhängigkeit erzogen werden und – sorry Männerwelt – in Sachen Eigenständigkeit unseren männlichen Gegenübern um Lichtjahre voraus sind, gerät beim Thema Finanzen die Emanzipation ins Wanken. Ich erwische mich ja selbst dabei: Wenn Männer mir bei Dates erzählen, dass sie bereits alleine eine Wohnung gekauft haben, nehme ich das selbstverständlich hin, wenn das Thema bei Frauen zur Sprache kommt, bin ich beeindruckt und überrascht.

Auch ich hatte natürlich die Idee, dass ich jemanden kennenlerne, wir unser Erspartes zusammenwerfen und uns gemeinsam ein schönes Heim finanzieren. Mir alleine eine Wohnung zu leisten, war in meinem Vorstellungskosmos nicht existent, ich hatte mir nicht einmal zugetraut, alleine eine größere Mietwohnung zu nehmen und mit diesen Gedanken bin ich nicht alleine. Es gibt Schöneres als zu erzählen, dass ich mit 33 Jahren auf 33 Quadratmetern leben, aber das Schlimme dabei ist eigentlich, dass ich mich selbst einschränke. Besonders finanziell traue ich mir lieber zu wenig als zu viel zu, warte auf jemanden, der mitzieht, anstatt alleine zu handeln.


Ein Mann, der mir ein Heim baut, mich finanziell unterstützt, damit ich mich um die Kinder kümmern kann und die Last des Kredits mit mir teilt, das ist das Bild, das auch in meinem Kopf fest verankert ist! Aber so wie es früher war, ist es nicht mehr und mit den neuen Zeiten ist es vielleicht dringend notwendig, neue Rollen zu übernehmen. 2022 gibt es so viele Singlehaushalte wie noch nie zuvor, ein Trend, der wohl noch weiter gehen wird und Veränderungen in unserer Denk- und Handelsweise erfordert.

3, 2, 1…meins!

Meine war ein Kaufvertrag für eine Wohnung, die ich mir nicht leisten kann – zumindest vom Gefühl her. Die Bank ist der Meinung, dass ich sie mir sehr (sehr sehr sehr) knapp finanzieren kann, aber für einen Kredit war es genug. Es ist nicht die Wohnung, die ich mir immer gewünscht hatte, sie reicht auch nicht für etwaige Kinder, aber für mich ist sie absolut perfekt. Mit der Unterschrift kamen eine immense Freude und ganz viel Stolz und ein paar Tage später Schnappatmung und Herzrasen. War ich vorschnell, wird sich das alles ausgehen, was wenn die Zinsen noch mehr steigen, was wenn ich es in einem Jahr bereue, weil die Immobilienpreise wieder nach unten gehen?

Die Wahrheit ist, dass ich vor ein paar Wochen auf einem krassen Egotrip war, wie so oft nach dem Urlaub. Es war ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit gepaart mit einer Überdrüssigkeit gegenüber allem, was von mir erwartet wird, ich fühlte mich stark und unbesiegbar. Ich wollte mich nicht mehr begnügen, mit etwas, was mir eigentlich nicht mehr entspricht, wollte nicht warten auf jemanden, der vielleicht nie kommt. Also hab ich jetzt mein Eigenes, das hat sich so ergeben und die Vorfreude und die Angst reichen sich in regelmäßigen Abständen die Hand. In meinem Umfeld kommt, seit ich davon erzähle, vermehrt die Frage, wie ich mir das leisten kann, ob meinem Bruder das auch so ergehen würde?

Ich liebe meine derzeitige Wohnung sehr, aber ich kann’s auch kaum erwarten, in mein Eigenheim zu ziehen, alleine jeden Raum einzurichten und alleine zu entscheiden, welche Couch auf meinen Eichendielen steht und welche Farbe meine Küche hat. Alles meins – Prinzen müssen leider draußen bleiben.

 

Ich hatte Vorbilder, vor allem in den sozialen Medien, die mich motiviert haben, für mich selbst und meine (Wohn)Situation Verantwortung zu übernehmen. Viele Male musste ich mir vorsagen, dass ich erwachsen genug bin, um diesen Schritt zu gehen, kompetent genug, um Kredite zu verhandeln und stark genug, um mich den Ängsten, die mit diesem Schritt einhergehen, zu stellen. Es waren schwere und kräfteraubende Wochen, ich hatte den einen oder anderen Breakdown, wenn ich mir die Rückzahlungsrate ansehe wird mir schlecht, aber wenn ich auf den Grundriss starre, könnte ich nicht glücklicher sein. Ich hab mir ein Stückchen Freiheit geschaffen, egal was in Zukunft kommt, ich hab ein Zuhause, in das ich immer zurück kann. Vielleicht sind es bei dir ein schönes Auto, eine lange Fernreise, eine größere Mietwohnung, vielleicht auch ein Eigenheim oder auch einfach nur der extra Trüffel auf der Speisekarte – es geht nicht um Geld, sondern um die Einstellung, sich ohne Partner ein tolles Leben leisten zu dürfen und nicht auf Sparflamme existieren zu müssen. Nicht gestern, nicht morgen sondern jetzt.

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