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Ich, mit mir & für mich!

Sechs Wochen sind seit meinem letzten Beitrag vergangen, ich bin zurück. Zurück im Leben, zurück im Alltag, zurück auf der Bühne und zurück am Blog. Vermutlich hätte ich mich schon früher trauen können, vielleicht hätte ich mir auch noch ein paar Wochen mehr Zeit lassen sollen, das mit dem richtigen Zeitpunkt ist immer so eine Sache. Heute hatte ich Lust zu schreiben und das Bedürfnis zu erzählen. Schon gestern hatte sich so ein hibbeliges Gefühl breitgemacht, ich liebe es, wenn das kommt, meistens steht dann die Wohnung auf dem Kopf und ich schmeiße mit Ideen und Tatendrang nur so um mich. Ich hab einen Kosmetiktermin vereinbart, meinen Friseurbesuch gebucht, alle Mails beantwortet, blöde Anrufe getätigt und sogar noch die Nägel lackiert. Noch schöner, ich hab Ideen aufgeschrieben, war kreativ und hab ein bisschen vor mich hingeträumt. Es war jetzt aber auch eine lange Durststrecke, denn so wie gestern, war es in den letzten Wochen definitiv nicht.

 

Was ich wollte?

Vor sechs Wochen hatte ich mit einer intensiven Kortison- und Antibiotikumkur gestartet, war für drei Wochen krankgeschrieben und musste mich, überspitzt formuliert, aus dem Leben verabschieden, hat sich fast ein wenig wie ein Lockdown angefühlt, nur dass sich die Welt der anderen weiterdrehen durfte. Anfangs war ich noch recht motiviert, hatte mir Bücher besorgt, frisches Obst und Gemüse eingekauft und mich auf Wellness zuhause eingestellt. Ich wollte die gesamte Wohnung putzen, alle Schubladen und Kästen neu sortieren, in der Küche jedes Fach wischen, meinen Desktop sortieren, Altlasten aufarbeiten, jeden Tag eine Stunde spazieren gehen, täglich eine Stunde lesen, Yoga machen und fürs Schuljahr vorarbeiten. Es waren schließlich drei lange Wochen, drei Wochen extra Zeit, die genutzt werden müssten, drei Wochen, die nicht einfach so verstreichen dürften.


Ich hatte erwartet, dass ich in der „geschenkten“ Zeit vor Ideen nur so sprudeln würde, viele Beiträge aus meinen Fingern getippt kommen würden, eigentlich genug Zeit um ein Start-up zu gründen, die Welt zu verbessern und zur besten Version meiner selbst zu werden. Aber ich hatte mich im Leisen auch auf ein komplettes Desaster eingestellt, auf tagelanges Einsamfühlen, Weinen und Trübsalblasen. Entweder super produktiv oder super traurig, ein Dazwischen konnte ich mir nicht vorstellen. Trommelwirbel…es kam anders als gedacht.


Was ich bekommen habe!

Die ersten drei Wochen lassen sich in einem Wort sehr gut zusammenfassen: Auszeit – mit der Motivation war es aus und Zeit war nie genug. Ich wollte mich ja ausruhen, aber eben nicht so viel. Wo die Vormittage hinverschwunden sind in dieser ersten Zeit, ist mir ein Rätsel, ich hab meistens so bis neun geschlafen, gefrühstückt, in Zeitlupe am Sofa gelesen und flutsch war es mittags. Manchmal hab ich auch direkt im Bett noch mit Serien angefangen oder eine Stunde Reels auf Insta geschaut. Mittags gekocht und einen Wimpernschlag später war es schon 15:00 Uhr. Auch die Nachmittage waren ruhig, ich bin weder durch die Wohnung gefegt noch habe ich eine einzige Schublade sortiert, die Mails konnten warten und meine Aufgabenliste habe ich gar nicht rausgeholt. In meinem Kalender steht in diesen drei Wochen – wo sonst to Dos und Termine stehen – „KRANK“.


Obwohl ich nichts getan habe, war ich jeden Tag erschöpft und abends wirklich müde, aber ich war zufrieden. Kein Gefühl etwas zu verpassen, kein Gefühl der Einsamkeit und schon gar nicht ein Gefühl der Langeweile. An meine Arbeit hatte ich ab Tag 2 schon nicht mehr gedacht und musste mir Timer stellen, damit ich zumindest den Lehrstoff eintrage. Ich hab wirklich nichts gemacht und das war weder positiv noch negativ. Es kamen keine Ideen und kein Bedürfnis, etwas zu verändern, abends wollte ich lieber auf der Couch sein, als draußen zu spazieren und das bunte Gemüse habe ich ziemlich schnell gegen Spinatknödel und Ravioli getauscht. Kein Sport, keine Dates, kein Schreiben, einfach nichts. Das Absurde daran ist, dass die drei Wochen wie im Flug vergingen und meine Gefühle sehr neutral waren. Zeit für mich.


Weich & sanft!

In den Herbstferien und nach Absetzung der Medikamente beschloss ich, meinem Kurztrip doch zu machen, entspannt und gelassen, aber immerhin weg. Zwei Nächte in Hamburg und zwei Nächte London, viele perfekte Cappuccinos, viel Bananenbrot, viel gutes Essen und viele lange Spaziergänge durch schöne Viertel und tolle Museen. Ich kann dieses Gefühl nur schwer beschreiben, das sich einstellt, wenn ich alleine irgendwo unterwegs bin, es ist eine Mischung aus vollster Zufriedenheit und purem Glück, es fühlt sich ruhig und trotzdem aufgeregt an. Menschen, die mich beobachten, denken sich vermutlich, dass ich sie nicht mehr alle habe, aber ich strawanze dann mit einem Dauerlächeln durch die Stadt und zelebriere jeden Bissen Kuchen, als wäre er das Beste, das ich je gekostet habe. Zeit mit mir.

Zurück zuhause hat der Alltag dann wieder gestartet, langsam konnte ich wieder Sport machen, bin wieder in die Schule gegangen, bin am Wochenende in die Stadt und hab sogar wieder Konzerte gespielt. Mein Kaufvertrag wurde notariell beglaubigt und von mir unterschrieben (schlimmster Selfie aber sehr ehrwürdiges Gefühl), ich hab die erste Rate überwiesen (autsch!!!) und bin wieder regelmäßig zur Therapie und auch zur Osteophatin gegangen. In den letzten zwei Wochen hat sich eines gezeigt, was mir vorher nicht so bewusst war: Ich stehe unter Spannung, dauernd und immer. Das macht mich hart und viele Situationen sehr mühsam, weil ich nie das Gefühl habe, loslassen zu können. Nie die Kontrolle verlieren, nie anderen ganz vertrauen, nie Schwäche und Verletzlichkeit zeigen. Überraschung, das liegt an meiner Geschichte, alles selbst regeln zu müssen, davon war ich vermutlich schon in der Volksschule überzeugt, und an dem ständigen Druck, einem Ideal entsprechen zu müssen. Ich.

 

So wie es immer war, soll es aber nicht bleiben. Mehr denn je verspüre ich das Bedürfnis weich zu werden, mich zeigen zu können und Erwartungen abzugeben. Ich möchte gelöst sein, weil alles ganz wunderbar ist, wie ich es gerade habe, weil ich sehr glücklich mit meinem Leben bin und nicht ständig die Gedanken im Kopf haben möchte, was noch alles passieren muss, damit es "passt". Schon schräg, dass wir oft so mit der Zukunft beschäftigt sind (ich zumindest), dass wir vergessen das Hier und Jetzt zu schätzen. Natürlich hab ich Wünsche und Pläne, aber die Gegenwart ist auch mega schön, ich muss nur genauer hinschauen und mich selbst darin bestärken, dass es so, wie es ist, richtig ist.

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