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Wie geht das eigentlich mit dem Alleinsein?

Ich liebe es, alleine zu sein. Das war zumindest immer meine Annahme, vermutlich weil ich es nie musste, sondern mich bewusst dafür entschieden habe, wenn ich es wollte. Seit fast einem halben Jahr lebe ich zum ersten Mal alleine, ganz alleine, ohne Familie im gleichen Haus, ohne Mitbewohnerin im Zimmer gegenüber und ohne Partner, der nach langen Arbeitstagen schon Zuhause wartet und mich in den Arm nimmt. Und zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass ich jetzt eigentlich genug alleine war und ich sehne mich nach Gesellschaft, um ehrlich zu sein nach einer Beziehung, wie bedürftig das klingt und jeglichem unabhängigen Frauenbild widerspricht, höre ich selbst, aber muss es immer das eine oder andere Extrem sein?

 

Unabhängigkeit lieber zu zweit.

In meinen Zwanzigern habe ich das Singledasein nach einem Beziehungsende immer genossen, viel mehr habe ich mich auf die neu gewonnene Unabhängigkeit, das Daten, die neuen männlichen Bekanntschaften, die Freundinnenausflüge und ganz viel me time gefreut. Ich war neugierig, aufgeschlossen, voller Erwartungen und gefühlt immer auf der Suche nach etwas Neuem und Unbekanntem. Rückblickend gesehen, hatte ich ein veraltetes Beziehungsbild, einen Freund zu haben, bedeutete früher immer auf ganz viel Zeit für mich zu verzichten und für das Wir zurückzustecken. Niemand hat das von mir verlangt, das passierte ganz von allein und hat dann immer den Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit in mir geschürt. Heute denke ich ganz anders über Beziehungen, unabhängig kann frau auch in einer Partnerschaft sein, wie schön ist der Gedanke, neben dem Ich auch ein Wir zu haben.

Dates und andere Herausforderungen.

Inzwischen graut es mir vor Dates, Corona kommt mir gerade gelegen und das Wort unverbindlich hört sich nach einer Beleidigung an. Ich will nichts Unverbindliches, Freundschaft plus klingt nach Kindergarten und bei Typen, die auf keinen Fall etwas Festes (ja ich bin wieder auf Tinder gelandet) wollen, stellt es mir die Nackenhaare auf. Überhaupt dieses ganze Herumgeeiere im Prozess des Kennenlernens nervt mich hoch zwei. Wie viele Männer ich im letzten Jahrzehnt gedatet habe, kann ich nicht ganz genau sagen, aber es waren über 30, mit manchen blieb es bei einem Kaffee, andere traf ich öfter, es verlief sich dann aber, mit wenigen entwickelte sich etwas Längeres aber keine Beziehung und mit einem Bruchteil wurde es etwas Festes. Insgesamt war ich in meinen Zwanzigern länger Single als in einer Beziehung und das fand ich spannend, idealerweise hatte ich meinen vermeintlichen Traummann ja Ende zwanzig kennengelernt und konnte mich zurückgelehnt dem neuen Lebensabschnitt widmen, die Dreißiger begannen wie im Bilderbuch.


Single, fühlt sich nicht mehr so schön an.

Wie man dem Titel dieses Beitrags entnehmen kann, ist der Plan nicht wirklich aufgegangen. Ich bin alleine, darauf wollte ich eigentlich hinaus, aber die Vorgeschichte erschien mir nicht ganz unwichtig, weil sich meine Perspektive um 180 Grad gedreht hat. Ich weine Routinen hinterher, vermisse Rituale, Zeit zu zweit, einen Partner, nicht irgendeinen sondern meinen, meinen mit dem ich alt werden möchte, mir eine Zukunft aufbaue, eine Familie gründe und irgendwann runzlig auf unserer Terrasse sitze. Ich sehne mich genau danach, was ich vor ein paar Jahren noch belächelt habe, ANKOMMEN. Die eine Beziehung mit dem einen Mann, die man schon so oft in Filmen und Serien gesehen hat, ein Ideal, das sich in mein Gedächtnis gebrannt hat und mich nun in ruhigen Minuten verfolgt, es tickt und wird immer lauter. Nun, diese Beziehung, die eine, gibt's gerade nicht (jemals und überhaupt?) und ich bin alleine mit mir, sehr viel alleine, da wir inmitten einer weltweiten Pandemie stecken und ich außer meiner Familie nur eine Freundin regelmäßiger sehe.


Die scheinbar unendliche Geschichte vom Alleinsein.

Allein sein kann ich nach wie vor relativ gut, ich habe auch alle Strategien aus dem Ärmel geschüttelt, um mich bestmöglich zu beschäftigen. Mein Skincare-Game ist on point, ich bin so sportlich wie noch nie zuvor, koche viel, hab mir massig Bücher und neue Apps besorgt, hab angefangen zu zeichnen, meine Wohnung ist sauber und ordentlich, ich spiele täglich Flöte und kann mich jeden Abend meiner aktuelle Serie hingeben. Ich halte auch Kontakt zu Freundinnen, bestelle mir einmal pro Woche zu viel Essen, kuschle mit der Familienkatze und hab mir das eine und adere Dekorstück gegönnt. Natürlich gab es auch Tage, die ich – vor allem zyklusbedingt – mit viel Schokolade und noch mehr Tränen auf der Couch verbracht habe, aber es geht mir gut, ich fühle mich nicht einsam, sondern wertgeschätzt und geliebt.


Dennoch liege ich abends oft unruhig im Bett, mein Puls ist dann immer eine Spur höher, als er sein sollte und mein Atem fühlt sich flach und eng an, ich hab Angst vorm Alleinsein, vor der Ungewissheit, wie lange es dauern wird. Auch wenn es mir an nichts fehlt, ich will ankommen, so ehrlich muss ich mit mir sein. Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht unglücklich, aber dort, wo ich gerne wäre, bin ich halt auch nicht. Ich bin müde und so viel beziehungsweiser als zuvor. Gerne hätte ich jemanden, der mein Tun hin und wieder hinterfragt, meine Monk-Attitüden belächelt und meine Welt ein bisschen auf den Kopf stellt. Jemand, der mir untertags eine süße Nachricht schreibt, abends meine Füße ein bisschen massiert und seine Gedanken mit mir teilt. Ich sehne mich nach dieser ganz speziellen Nähe zu jemandem, die mir manchmal den Atem raubt, weil ich so glücklich aber auch so zornig sein kann, die mich Grinsen lässt, wenn ich an die letzte Nacht zurückdenke und es zulässt, dass ich abends mit Dutt und Pickelpatches auf dem Sofa sitze, ohne mich dabei unwohl zu fühlen. Klingt das ein wenig egozentrisch? – vermutlich, im Endeffekt glaube ich aber, dass wir uns alle nach einer Beziehung umsehen, um uns wohl und geliebt zu fühlen und als Gegenleistung dieses Gefühl zurückgeben.

 

Also, wie geht das nun mit dem Alleinsein? Ganz gut würd ich sagen, es ist nur nicht mehr so attraktiv wie früher und ich bin davon überzeugt, dass man sich in einer partnerschaftlichen Beziehung, in der viel Raum für Individualität bleibt, auch nicht mehr danach sehnt. In meinen Dreißigern wäre ich jedenfalls sehr gerne in einer Beziehung, aber nicht mehr um jeden Preis und schon gar nicht, wenn ich dabei verloren gehe. Im Moment bin ich selbst für mich da und das muss vorerst reichen.

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