Tagelang hatte ich mit mir gerungen, zuvor schon einige Wochen dieses mulmige Gefühl im Bauch gehabt, die Herbstferien standen vor der Tür, ich wollte weg, aber alleine? Das schien doch eine gruselige Vorstellung zu sein, aber auch eine spannende. Letztendlich bin ich in Florenz gelandet, alleine im Dolce-Vita-Land, mit ganz vielen Ängsten, aber auch Hoffnung und Stolz im Gepäck. Natürlich könnte ich auch seitenweise über Florenz, ein absolutes Schmuckstück, schreiben, aber das Augenmerk soll in diesem Beitrag auf dem Alleinreisen liegen und warum frau das ruhig öfter machen sollte.
Ein kleiner Schups und große Freude.
Erinnerungen können richtig wehtun. Emotionen sind oft an bestimmte Tage / Zeiten geknüpft und mit den Herbstferien verband ich vom letzten Jahr viel Schmerz, düstere Tage und verweinte Stunden im Bett, weil die Couch noch immer nicht geliefert war. Zwei Jahre zuvor hatte ich mit meinem damaligen Freund zur gleichen Zeit traumhafte Tage in Padua verbracht, unser erster gemeinsamer Urlaub innerhalb dieser krassen frisch verliebt Kennenlernphase. Dieses Jahr wollte ich neue Erinnerungen schaffen, nur mit mir und weit weg.
Ich hatte eine konkrete Entscheidung natürlich vor mir hergeschoben, lange halbherzig überlegt und schon fast wieder alles hingeschmissen. Eine Therapiestunde und eine halbe Tafel Schokolade später bin ich dann am Donnerstagabend vor den Ferien vorm Laptop gesessen und hab mein Zugticket gebucht. Florenz, ich war schon einmal dort für eine Fortbildung, auch im November, hatte aber damals keine Zeit für richtiges Sightseeing und mir geschworen, dass ich wieder kommen würde. Mit der Buchungsbestätigung kam die erste Euphorie und wenige Minuten später war auch mein Zimmer im Zentrum fixiert. Nicht irgendeines, sondern ein schönes Doppelzimmer, in dem ich gerne alleine übernachten würde. Die erste Hürde war geschafft und die Vorfreude wuchs mit jedem Tag.
Ankommen, orientieren, entspannen.
Nun, am Sonntagmorgen war ich aufgeregt, das muss ich zugeben. Aufgeregt, weil ich nicht einschätzen konnte, wie ich mich fühlen werde, wie lange die Tage alleine sein würden und wie die Abende sich anfühlen werden. Die Zugfahrt verging schnell und in Florenz angekommen, gab es zuerst eine kleine Ernüchterung, die Stadt war überfüllt, das Wetter mies und ein eisiger Wind zog durch die Gassen. Mein Zimmer sah abends auch nicht so einladend aus und der Gedanke, noch alleine essen gehen zu müssen, war mehr als grausam.
Licht gedimmt, heiße Dusche, gute Playlist, schönes Outfit und auf einmal sah die Welt schon wieder anders aus. Mein erster Abend war übrigens grandios, ich war beim kleinen Italiener am Eck, den ich schon kannte, hab perfekte al dente Pasta mit Kirschtomaten und Burrata verspeist, dazu ein Glas Wein genossen und anschließend Cantuccini in Amaretto getunkt. Alleine in einem Lokal zu sitzen war die ersten 5 Minuten eigenartig, vor allem, weil alle anderen ja zu zweit dort waren, aber sobald der Wein am Tisch stand, haben die Gedanken zu schweifen begonnen und ich hatte die beste Zeit mit mir selbst und den äußerst unterhaltsamen Kellnern.
Gestalten, genießen und süße Überraschungen erleben.
Nachdem diese Reise sehr spontan war, hatte ich nicht wirklich einen Plan. Also habe ich den ersten Morgen dazu genützt, mir bei einem Cappuccino und einem Brioche al Pistacchio einen Überblick zu verschaffen und grob zu entscheiden, was ich alles sehen möchte. Wie in jeder großen Stadt funktionieren Sehenswürdigkeiten nur noch mit vorherigem Ticketkauf, daher hab ich mir drei Fixpunkte online reserviert: Uffizien, Domkuppel und Santa Maria Croce. Den Rest wollte ich mir bewusst offenhalten und die Tage schlendernd, entdeckend und spontan erleben.
In meinem Fall haben die drei Fixpunkte gut getan, ein bisschen Struktur in die Urlaubszeit gebracht und mir die Sicherheit gegeben, dass ich in den langen Tagen nicht verloren gehe. Ansonsten hab ich wirklich Dolce Vita gelebt, bin mit mir frühstücken gegangen, durch die Straßen gewandert, in Cafés gesessen, der Sonne entgegen am Arno entlang spaziert, hab mein Buch im Park gelesen und vor allem ganz genau auf meine Bedürfnisse gehört. Ich hatte im Vorfeld Angst vor den Gedanken, die möglicherweise kommen würden, bei so viel Zeit alleine, aber sie kamen nicht, weil ich in völligem Einklang mit mir selbst und vor allem mit der Situation war, viel mehr noch hab ich diesen Solotrip zelebriert und mir absolut alles gegönnt.
Nebenbei hatte ich am zweiten Abend ein Date mit dem Besitzer der Trattoria vom ersten Abend, ein Grieche in Florenz, der mir ganz unverblümt seine Nummer aufs Lokalkärtchen geschrieben hatte. „Fuck it“ hab ich mir gedacht und bin einfach mit ihm essen gegangen, danach durch die Gassen spaziert und hatte einen super schönen Abend mit einem Fremden. Hätte ich nie erwartet, hat sich so ergeben und ist mir zum einen nur passiert, weil ich alleine unterwegs und zum anderen offen für alles war. Den dritten Abend hab ich dann wieder nur mit mir verbracht, weil das mindestens genauso schön war. Warte, ich musste das Dessert nicht teilen, eigentlich noch schöner!
Alleine reisen – Fazit?
So groß auch die Überwindung war, alleine wohin zu reisen, so froh bin ich, dass ich über meinen Schatten gesprungen bin. Ich hab mir aber auch einen Rahmen geschaffen, der mir entsprochen hat: Eine herzliche italienische Stadt, eine passende Saison (ich hatte extra Glück und drei Tage Sonnenschein und 20 Grad), ein schönes Zimmer und drei Nächte waren die perfekten Voraussetzungen, für einen gelungenen Solotrip.
Es hätte auch anders kommen können, wie das limbische System auf Stille und Alleinsein reagiert, hängt davon ab, wie gut zuvor aufgeräumt wurde. Ich bin nach monatelangen Lockdowns und vielen Therapiestunden ziemlich im Reinen mit mir und vermisse niemanden an meiner Seite, wenn ich meinen eigenen Interessen nachgehe. Klar hatte ich die Momente, in denen ich mir meine beste Freundin herbeigewünscht hätte, um zwei verschiedene Cannoli zu probieren. Und des gab auch die Augenblicke, in denen ich sehnsüchtig den schlendernden Paaren nachgeschaut habe, aber, und das ist ein großes aber, es war alleine nicht weniger schön, sondern einfach anders schön.
Das war sicher nicht meine letzte Reise alleine, egal welchen Beziehungsstatus die Zukunft bringt. Gerade nach hektischen Zeiten tut ein bisschen Stille gut, oft, so kommt es mir zumindest vor, haben wir gar keine Zeit und Ruhe mehr, um in uns hinein zu hören. Vier Tage mit mir selbst fern von der alltäglichen Routine und ich bin so tiefenentspannt wie schon lange nicht mehr. Und auch ein bisschen stolz.
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