Ich hab jetzt schon schwitzige Hände und ein bisschen Herzklopfen die folgenden Zeilen mit euch zu teilen, aber schon seit ein paar Wochen schwirrt dieser Beitrag in meinem Kopf herum und wenn ich mir eines für dieses neue Jahr vorgenommen habe, dann mutig zu sein. Also ja, es geht heute um Sex bzw. eben keinen Sex, welche Stigmen damit einhergehen, welche inneren Konflikte ich mit mir zu kämpfen hatte und wie schön es ist, wenn der eigene Körper eine Zeit lang nur für eine selbst ist. Meine Einstellung zu körperlicher Liebe hat sich in den letzten Jahren enorm verändert, ich hab alle meine alten (und selbstverletzenden) Muster hinterfragt und beschlossen, meine Sexualität neu zu erfinden.
Sexismus, Selbstwert & Selbstliebe
Ich weiß ja nicht, wie ihr aufgewachsen seid, aber mein sexuelles Erwachen war geprägt von Vorurteilen, Stereotypen und einem sehr patriarchal geprägtem Narrativ. Meine Sorgen haben sich auf immer hübsch auszusehen, glatt rasiert zu sein, schöne Unterwäsche zu tragen und dafür zu sorgen, dass ER mich attraktiv findet, beschränkt. All das natürlich innerhalb bestimmter Regeln, nämlich nicht zu freizügig zu sein oder zu schnell mit jemandem zu schlafen, weil frau sonst schnell als Schlampe galt, aber eben auch nicht zu prüde sein, dem Mann das Gefühl geben, dass er begehrenswert ist und natürlich, dass seine Darbietung überdurchschnittlich gut war. Wisst ihr, worüber ich mir nie Gedanken gemacht habe? – ob ich mich wohlfühle, ob ich gerade Lust habe und ob ich genau das bekomme, was ich möchte. Versteht mich nicht falsch, ich hatte viele sehr schöne sexuelle Erfahrungen in der Vergangenheit, aber mein Blick war NIE auf mich gerichtet, und wenn, dann nur mit dem Hintergedanken ihm zu gefallen.

Wozu das geführt hat? Mein Sexleben hat sehr stark meinen Selbstwert bestimmt und vice versa. Solange mich jemand wollte, war alles in Ordnung, Sex hat meinen Wert bestätigt und nicht selten hat er das ersetzt, wonach ich mich wirklich gesehnt habe: Intimität und Emotionen. Wenn ich zurückdenke, stimmt es mich sehr traurig, wie misogyn die Frauen meiner Generation sozialisiert, wie sexualisiert unser Körper und wie fremdbestimmt unsere Sexualität wurde. Nie wurde ich von meiner Mama gefragt, ob ich Spaß habe, nie wurde ich von einem Partner gefragt, ob ich mich gesehen fühle und nie habe ich mich selbst gefragt, ob das wirklich alles ist, was ich möchte.
Das Absurdeste daran? Ich schäme mich dafür. Ich schäme mich, dass ich es nicht besser wusste, dass ich nicht selbstbestimmter war, dass ich mich nicht früher mit mir und meiner Lust beschäftigt habe und dass ich so viele (oh Gott, so viele) Male mein männliches Gegenüber über meine eigenen Bedürfnisse gestellt habe, nur um sein Ego nicht zu verletzen, nur um meinen Selbstwert nicht infrage zu stellen, nur um den Erwartungen zu entsprechen, nur um nicht alleine zu sein. Da wären wir wieder beim Thema: Selbstliebe. Ich schreie es gern noch hundert Mal von den Dächern – wer sich nicht selbst liebt, sollte niemanden anderen lieben, weder emotional noch körperlich.
Adieu Hormone, Bonjour Vernunft
Was sich nämlich wirklich nicht leugnen lässt, ist, dass Hormone (lies die Studien!) richtig kleine Arschlöcher sind und Sex in weiblichen Gehirnen die Vernunft lahmlegt und die rosarote Brille vor die Augen klappt. Ich muss laut lachen, wenn ich an die Männer in der Vergangenheit denke, von denen ich mehr als nur Körperlichkeit wollte. Nope – Oxytocin hatte nur kurz die Führung übernommen, ich kann euch definitiv garantieren, dass D., der Rotwein aus der Flasche zum Einschlafen brauchte, kein Beziehungsmaterial war. Wie oft ich einen Orgasmus vorgetäuscht habe, nur um den Mann glücklich zu machen, will ich sowieso nicht laut sagen, ich schäme mich für mich und es tut mir leid für alle Frauen, die nach mir kamen. Das hat mir übrigens niemand gesagt, dass ich das tun müsste, auf diesen Schwachsinn bin ich von ganz alleine gekommen, sein Wert war wichtiger als meiner, lieber ich unbefriedigt als er und seine unterirdischen Fähigkeiten vor den Kopf gestoßen. WhAt The ACtuaAL FuCk!!! Nein, ganz ehrlich, hört auf damit.

Eigentlich sollten wir uns alle eine 10 Date Regel auferlegen, nicht um besonders begehrenswert, mysteriös und schwer zu haben und interessant zu sein, sondern um sicher zu gehen, dass der Typ sich zehnmal die Zeit für ein ordentliches Date (nein, abends einen Film zu schauen ist keine Date!) nimmt, zehnmal interessierte und intellektuell stimulierende Fragen stellt und wir zehnmal mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass es ein schöner Abend war. Prove me wrong, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir alle länger keinen Sex mehr hätten.
Kein Sex, kein Drama!
Aber, zum eigentlichen Punkt: Ich hatte 2024 keinen Sex, ein volles Jahr, sogar einige Monate länger und die Erkenntnis ist, dass es das Beste war, was mir passieren hätte können. Dieses Jahr hat mir meinen Körper wiedergegeben und gleichzeitig meine Einstellung zu Sex zum Positiven verändert. Wie schön waren all die Abende, an denen ich in Ruhe und ohne Nebengeräusch eine Serie geschaut habe, danach in ein Bett, das nur nach mir riecht, gegangen bin, mir dick Creme auf die Hände geschmiert habe, ungestört eingeschlafen und zu meiner Zeit ohne fremden Wecker aufgewacht bin. Wie schön war es, mir nicht Gedanken über Beinbehaarung, Lingerie oder meine Zahnschiene zu machen, wie schön nicht zu hinterfragen, ob ich gerade begehrenswert bin oder selbst Lust habe.

Ich sag’s euch, ich hab mein bestes Oma-Leben geführt und mir ist Sex null Komma Josef abgegangen, nicht im Geringsten, ich hab’s mehr als gefeiert, immer alleine aufzuwachen und meinen Körper ganz für mich zu haben. Aber natürlich ist die Stereotype der alten Jungfer auch an mir nicht vorbeigegangen und laut zu sagen, dass ich eben schon länger keinen Sex habe, hat meistens nur mit einem Scherz funktioniert. Ich musste hart an mir arbeiten, dass mein Selbstwert nicht leidet und ich „gerade nicht begehrt“ nicht mit „nicht begehrenswert“ verwechsle.
Als Frau können wir es sowieso nie richtig machen, haben oder wollen wir keinen Sex, werden wir verurteilt, haben oder wollen wir viel und/oder unverbindlichen Sex, werden wir ebenfalls verurteilt. Lose-lose oder doch win-win? Wenn wir in den Augen der Gesellschaft (leider ist es nicht nur die Männerwelt) eh nichts richtig machen können, sollten wir zumindest tun und lassen, worauf und auf wen wir Lust haben.
Ich hoffe, dass du dir keinen Druck machst und dein Sexleben so gestaltest, wie es für dich am besten passt. Ich habe nicht nur einmal bei jemandem übernachtet, um meinen Selbstwert zu pushen und ganz ehrlich, ich hab’s nie genossen – hätte ich mir einen Spa-Day zuhause gemacht, hätte das meinem Selbstwert im Endeffekt sicher besser getan. Du brauchst kein Gegenüber, um dich begehrenswert zu fühlen, du brauchst keinen Sex, um dazuzugehören und schon gar nicht musst du Angst haben, dass dein (fehlendes) Sexleben irgendetwas über dich und deinen Charakter aussagt.
Nun, mit dem neuen Mann ist das Thema natürlich wieder auf dem Tisch und ich muss mich mit Argusaugen beobachten und sicherstellen, dass ich nicht in alte Muster zurück rutsche. Körperlichkeit kann so schön sein, wenn der Kontext passt, für mich funktioniert Sex nur noch mit Emotionen und Vertrauen, vielleicht ist es das Alter, vielleicht aber auch eine neue Wertschätzung für meine Bedürfnisse. Ich hab mich gesehen und gehört gefühlt – der Rest hat sich ergeben.
Hier wird es im Februar ruhig, ich nehm mir eine kleine Pause, wir hören uns dann im März wieder. Es ist viel passiert in den letzten Wochen, ich versinke im Chaos und muss mich ein wenig neu sortieren.
xoxo
OMG! Ich schwöre ICONIC! Ich habe schon fast zwei Jahre keinen Sex mehr, bestes Leben, kein Drama, genauso wie du geschrieben hast! ICH LIEBE DEINEN BLOG!!!!
So krass mutig darüber zu schreiben, ich fühle jedes Wort. Auf das Oma-Leben! 😂
Dankeschön für diesen ehrlichen Beitrag.......🫶