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Starre Eltern & gebrochene Kinder!

Dieser Titel steht schon etwas länger in meinem Büchlein, in das ich Ideen und Gedanken kritzle und obwohl ich ein bisschen Angst davor habe, soll es heute um die wohl schwierigste und zugleich potenziell schönste Beziehung in unserem Leben gehen, die zu unseren Eltern. Ich bin Mitte Dreißig und seit Jahren beobachte ich an anderen und an mir selbst, wie einflussreich und wie zukunftsprägend diese Beziehung ist und wie mühsam es sein kann, wenn eine Familie versucht, alte Muster aufzubrechen und die Konstellation neu zu arrangieren. Was starr bleibt, kann schnell brechen –  was sich bewegt, kann sich verlieren, aber auch zueinander finden.

 


Tränen, Tränen, Tränen!

Ich will heute gar nicht auf die Kindheit eingehen, dass ist noch einmal ein ganz anderes Thema, sondern wirklich auf die Eltern-Kind-Beziehung im Erwachsenenalter. Eines lässt sich nicht leugnen, die Rollen können nicht neu vergeben werden, ich bleibe immer das Kind meiner Eltern, aber das Beziehungsmuster lässt sich sehr wohl verändern. Ich war mir vor meiner Therapie nie wirklich im Klaren, wie prägend die Beziehung zu meinen Eltern ist und wie sehr sie mein Verhalten in romantischen Beziehungen und/oder Freundschaften beeinflusst. Aber es ist auch irgendwie logisch, dass die allererste Bindung in unserem Leben wegweisend ist und dementsprechend so einiges anrichten kann.



Ein kleines Beispiel, wie tief manche Sachen sitzen: Anfang September hab ich auf die Katze aufgepasst, während meine Eltern für eine Woche im Urlaub waren. Wir haben uns praktisch abgelöst, weil ich davor für ein paar Tage in Kroatien war, und als ich nach vielen, vielen Stunden Autofahrt mit einer Bomben-Erkältung völlig erschöpft abends zuhause ankam, hat ein leerer Kühlschrank auf mich gewartet. Jetzt kann man argumentieren, dass ich ja selbst einkaufen gehen kann, alt genug bin etc., aber der Umstand, dass niemand an mich gedacht hat, war niederschmetternd und hat zu einer schlaflosen Nacht, Wut im Bauch und letztendlich vielen Tränen geführt. In alter Manier hätte ich dann passiv-aggressiv für mindestens eine Woche geschwiegen und alles in mich reingefressen (zumindest etwas), aber ich wusste es besser und hab’s angesprochen und das wiederum hat zu einer Diskussion geführt und das wiederum ist mühsam, aber so wichtig.



Neue Muster, alter Schmerz!

Ich war der Inbegriff des stereotypen älteren Scheidungskinds: immer hyperselbstständig, stets funktionierend, harmoniebedürftig, zurückhaltend, still leidend und brav. Um mich musste sich nie jemand Sorgen machen, ich hatte alles im Griff, meine Freundinnen haben mich nie weinen sehen, meinem Umfeld hab ich nie Schwäche gezeigt und meinen Eltern hab ich nie gesagt, was wirklich in mir vorgeht, weil ich maximal konfrontationsscheu war.



Diese Fassade hat erst nach meiner Trennung vor vier Jahren zu bröckeln begonnen. Ich hab meine Eltern damals gebraucht, nicht nur physisch sondern auch psychisch und das auch kommuniziert und wenn der erste Schritt einmal gegangen ist, folgen die weiteren schon etwas leichter. In diesen letzten vier Jahren hatten wir viele Diskussionen und auch heftige Auseinandersetzungen, ich hab immer wieder konfrontiert und das ist mühsam, für alle Beteiligten. Es ist auch viel passiert in dieser Zeit, einschneidende Veränderungen wie Wohnungskauf, die fünf Monate auf Reisen, die Demenz meines biologischen Vaters etc., da brechen alte Wunden auf und diese gilt es auf neue Weise zu versorgen.


Wenn ich jetzt etwas tue oder sage, von dem ich weiß, dass es meinen Eltern nicht gefallen wird, ist da noch immer diese alte Angst, aber der Wunsch nach meinen Vorstellungen zu leben und eine Beziehung auf Augenhöhe zu haben, ist größer. Ich bin meinen Eltern nichts schuldig, außer vielleicht ehrlich mit mir selbst zu sein. Es gibt endlose Beispiele in meinem engeren Kreis wie Kinder regelmäßig daran zerbrechen, weil ihre Eltern starr bleiben und erwarten, dass alles nach ihrem Willen abläuft. Ich hab erwachsene, erfolgreiche Männer im Bett kauern gesehen, selbstständigen Frauen, die selbst schon Mütter sind, mit zittriger Stimme erlebt und viele romantische Beziehungen beim Scheitern beobachtet aus dem gleichen Grund: Ein alter Schmerz wurde nie aufgearbeitet und das innere Kind hat nie eine Stimme gefunden und bleibt in der immer gleichen Schleife hängen.



Veränderung oder Resignation!

An dieser Stelle kommt wohl die Aufforderung zur Therapie zu gehen. Wer das Gefühl hat, dass es Veränderung in der Eltern-Kind-Beziehung bedarf, muss bei sich selbst anfangen. Niemand kann seinen Eltern Starre vorwerfen, wenn er/sie selbst nicht bereit ist, etwas tiefer zu gehen und die Steine ins Rollen zu bringen. Danach kommt der richtig anstrengende Teil: reden, diskutieren, streiten & versöhnen in Dauerschleife.



Ich könnte inzwischen ein Skript schreiben, wenn ich mit meiner Mama streite, weil bei den immer gleichen Themen die immer gleichen Argumente kommen. Aber wir streiten inzwischen besser und effektiver, ich bin viel klarer und das macht es für sie praktisch unmöglich, nicht beim eigentlichen Thema zu bleiben. Das ist und bleibt mühsam und die positiven Veränderungen sind minimal, aber langsam und sicher merkbar. Ich erwarte auch überhaupt nicht, dass sich meine Eltern von Grund auf ändern, wir sind unterschiedliche Charaktere aus unterschiedlichen Generationen und das ist völlig okay, aber ich erwarte sehr wohl, dass sie mich hören und sich aktiv an unserer Beziehung beteiligen. Als Elternteil zu existieren ist nicht genug, besonders im Erwachsenenalter muss sich diese Beziehung zu Arbeit auf beiden Seiten verändern.


Und dann, dann gibt es auch die Fälle, in denen jegliche Kommunikation scheitert. Das ist schmerzhaft und maximal unbefriedigend, aber auch das kommt vor. Eine blöde Situation mit noch blöderen Optionen: stille Resignation oder Kontaktabbruch. Letzteres ist für die meisten vermutlich unvorstellbar, für mich auch, und so leiden wir still vor uns hin, ertragen die Treffen und die immer gleichen Floskeln, erfüllen Erwartungen und versuchen das Beste aus einer Situation zu machen, in der beide Seiten das wohl Wichtigste verlieren: eine Beziehung.   


Für deine Eltern und ihr Verhalten kannst du nichts, du hast sie dir nicht ausgesucht und viele Jahre deines Lebens musst du dich nach ihnen richten und nach ihren Regeln spielen. Aber ich finde den Gedanken eigentlich ganz schön, dass man auch seine Eltern erziehen kann, sofern sie offen dafür sind. Wer in der Vergangenheit hängen bleibt („Wir hatten es auch schwer“) hat sowieso verloren, warum sich also nicht an der Zukunft orientieren und ein bisschen auf die neue Generation hören und auf ihre Bedürfnisse eingehen.


 

Ich weiß noch den Moment, als mein Papa einmal die Phrase „Diskussion beendet“ von sich gegeben hat und ich mir dann erlaubt habe zu sagen, dass nicht er bestimmt, wann ich zu reden aufhöre. Das war für alle am Tisch ein komischer Moment, aber für mich ein kleiner Meilenstein. Gerade mit Vätern finde ich persönlich Auseinandersetzungen noch schwerer, sicher auch ein altes Kindheitsmuster.


Meine Eltern, und ich rede hier immer von Mama & Stiefpapa, und ich haben sicher noch viele Diskussionen und Auseinandersetzungen vor uns, aber unsere Beziehung hat sich ohne Frage zum Positiven verändert. Sie sind nicht immer sofort offen für alles, aber sie bemühen sich und beharren nicht darauf, dass alles so bleiben muss, wie es früher war. Ich fühle mich zuhause wohler als je zuvor und bin auch ein bisschen stolz auf uns, dass wir es gemeinsam geschafft haben, unsere Beziehung zu verbessern.


Aber ich hab natürlich auch das andere Beispiel, einen Vater, wo sich nie wieder etwas verändern wird und ein inneres Kind, das schwer an diesem Umstand zu knabbern hat. Wie sich Beziehungen entwickeln, liegt leider nicht in deiner Hand, aber offen und ehrlich zu sein und dem Gegenüber zumindest die Chance zu geben, auf dich zuzugehen, sehr wohl.

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1 Comment


Guest
Oct 12

♥️♥️

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