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Neue Dates, andere Männer!

Es sind jetzt viele Monate vergangen, seit ich mich von den Dating-Plattformen zurückgezogen habe. Wenn ich ehrlich bin, hab ich sie nicht vermisst, aber ich war auch nicht aufrichtig auf der Suche nach jemandem. Irgendwie vertraue ich schon seit einiger Zeit darauf, dass schon alles so kommen wird, wie es eben kommen soll, dennoch hat Prince Charming weder im Supermarkt nach der gleichen Avocado gegriffen, noch mich an der Bar, an der ich alleine saß, angesprochen. Ich weiß nicht wie und auch nicht wo, aber seit ich nicht mehr in Studiumskreisen unterwegs bin, lerne ich ohne Swipe-Marathon im Vorfeld niemanden kennen. Also bin ich seit gut zwei Wochen zurück in der Tinder-Welt (als ob Bumble in irgendeiner Weise besser wär?!) und wische fröhlich durch die Gegend, dieses Mal aber anders.

 
Weißt du eigentlich, was du willst?

Zuerst hab ich mir überlegt, wen bzw. was ich suche und wie ich mich präsentieren möchte. Ich bin weder übertrieben sportlich, noch dauernd auf Reisen oder vor den schönsten Kulissen. Also hab ich einfache und aktuelle Bilder ausgesucht, eines im Sommerkleid, ein anderes mit Mantel vom Herbst, zwei Schnappschüsse, in denen man(n) gut mein Gesicht erkennt und ein letztes auf meiner Couch. Ziemlich unspektakulär aber auch repräsentativ für meinen Alltag und zumindest mein optisches Auftreten. Dazu habe ich drei Vorlieben wie etwa gutes Essen etc. erwähnt und formuliert, dass ich auf der Suche nach netten Dates bin.

Der erste Schritt war geschafft, also ging’s ans Swipen. Hier habe ich ich dieses Mal bewusst fünf Kategorien Männer ignoriert: Touristen, die nur auf der Durchreise sind, Studenten und überhaupt Männer, die jünger als ich sind, Sportfanatische, die nur Bilder von sich auf Rädern, Ski etc. haben, Männer, die Spiegelselfies auf Tinder stellen und diejenigen, die „auf der Suche nach Spaß, im Fall auch eventuell mehr“ sind. Dass ich männliche Geschöpfe, die explizit nach Seitensprüngen suchen, in offenen Beziehungen sind oder mich optisch absolut nicht ansprechen, ebenfalls ausgeschlossen habe, ist hoffentlich klar.


Warum? Weil ich absolut niemanden dieser Art kennenlernen möchte und das mag jetzt voreingenommen und hart klingen, aber der netteste Mann Tirols kann mir gestohlen bleiben, wenn er jede freie Minute am Berg verbringt, wenn mir noch ein weiterer Typ über dreißig erklärt, dass er nicht weiß, was er vom Leben will, bekomm ich einen Tobsuchtsanfall und echt? – niemand will deinen Oberkörper mit Überbelichtung im Spiegel sehen! Ich bin auf der Suche nach einem durchschnittlich interessierten und durchschnittlich gutaussehenden Mann mit dem Wunsch sich fest zu binden, so einfach und auch so langweilig ist es.


Lies du schon oder schaust du nur?

Was bedeutet das jetzt für Tinder? Hm, zuerst einmal, dass ich jetzt vorher immer den Text lese, nachdem mich das erste Bild angesprochen hat und erst dann die restlichen Bilder durchsehe. Wenn der Text aus Emojis, irgendeinem lateinischen Zitat oder meinem Favoriten, nur aus der Körpergröße besteht, dann ist es gleich der Weg nach links. Ich stell hier die Hypothese in den Raum, dass Männer, die sich keine fünf Minuten für eine kleine Beschreibung nehmen, entweder faul, unkreativ und/oder nicht wirklich ernsthaft auf Tinder suchen. Nach einer Woche glaube ich, dass ich nicht ganz unrecht habe.

Ich erwarte keinen Roman, keine übercharmanten Phrasen und auch keine Extraportion Humor, einfach ein paar Worte, die mich zumindest vermuten lassen, wer am anderen Ende des Bildschirms sitzt. Und dann? Dann gilt es bei einem Match sofort zu schreiben. In meinem Fall hatte ich mich angemeldet, zwei Tage gewartet und erst dann zu swipen begonnen. Ich kenne mich, wenn ich nicht online bin während des Matches, dann schreibe ich nie wieder. Nach weiteren zwei Tage hab ich meine Swipe-Funktion deaktiviert, weil Fun-Fact: Swipen ist zum einen eine sehr verlockende Prokrastinationsaktivität für mich und zum anderen bin ich schnell überfordert, wenn zu viele Matches zustande kommen. Vierzehn Männern habe ich in diesen ersten 48 Stunden geschrieben, mit zwölf davon läuft die Konversation auch nach über einer Woche noch oder sie warten zumindest noch geduldig auf meine Antwort.


Muster brechen und Neues erleben!

Meine erste Intuition – mit Sicherheit vom ein bisschen verletzten Ego geleitet – hätte zu einer ganz anderen Strategie auf Tinder und vor allem zu ganz anderen Matches geführt. Sexy Tourist aus Schweden? Immer her damit! Typ im ausgebauten VW Bus mit Gitarre und verschmitzem Lächeln? Yes please! Mann, der nur Spaß sucht? Ich werde dich bekehren! Musiker, Schriftsteller und/oder Kreativkopf mit ganz viel Spontaneität und den wildesten Ideen im Gepäck? Ich will deine Muse sein! Und natürlich die Königsklasse: Vermeintliche Herzensbrecher, die sich nicht binden wollen und im Idealfall ein ungelöstes Trauma mit sich schleppen? Wer braucht schon das Gefühl von Sicherheit, bei mir wirst du ganz anders sein!


Mein Muster hätte mich in altbekannte Gewässer schwimmen und mich vermutlich ziemlich bald absaufen lassen. Ich hab quasi jede Sorte Mann schon gedatet, vom versifften Jazzer über den kreativen Songwriter oder den passionierten aber mittellosen Südländer bis hin zum karrieregeilen Arzt. Ich hab die Logiker aber auch die Tagträumer kennengelernt, einige ohne Ziel im Leben und andere mit 10-Jahresplan, Männer mit Haus und Männer ohne eigene Wohnung. Nur einen Typ Mann hab ich noch nie an mich herangelassen: die Michaels und Florians dieser Welt. Die Normalos, die frau mit „nett“ betiteln würde, die ewig lange Nachrichten auf Tinder schreiben und sich für eine Antwort bedanken, die sich Partnerschaft und Familie wünschen und drauf scheißen, ob das Hemd weiß oder eierschalenfarbig ist. Genau nach diesen Männern habe ich diese Mal gesucht und die Matches hielten, was die Profile suggeriert hatten: nett, anständig, verlässlich und bemüht.


Text me baby one more time…

Das ist für mich jetzt eine ganz neue Herausforderung und mein erster Florian (und er hieß wirklich Florian) hat mich bereits abserviert, weil ich mich 5 Tage (Dramaqueen!) nicht zurückgemeldet habe. Recht hat er, wie absolut unsympathisch, dass ich auf eine so schöne Nachricht nicht sofort reagiert habe, ich nicke mit Ehrfurcht.

Ich muss mich erst wieder drauf einstellen, dass mehr als ein „bist unterwegs“ um kurz vor Mitternacht kommt und mich echt hardcore bemühen, diese wirklich netten Nachrichten nicht absolut unsexy zu finden. Komische Denkweise und vielleicht steckt auch ein bisschen Selbstmanipulation dahinter. Die „bösen“ Jungs führen nämlich zum Ende, das ich sowieso erwarte: Enttäuschung – nur bei denen weiß ich es zumindest im Vorfeld und muss mein tief verletztes Herzchen nicht öffnen.


Nun, ich bin dran, ich arbeite an meinen Mustern und bleibe hoffentlich konsequent mit dieser neuen Strategie. Tinder steht inzwischen täglich auf meiner to do Liste, ich hoffe sehr, dass ich es mit einigen von meinen Florians zu einem echten Date schaffe und dann werden wir sehen, ob ich das brauche, wohin es mich intuitiv am wenigsten zieht: Ruhe und Geborgenheit.

 

Und vielleicht suche ich auch jemanden, der mir Raum gibt, um zu glänzen, weil er selbstständig essen kocht, selbstverständlich Kompromisse eingeht, mir Dinge gerne abnimmt, mich anfeuert wenn’s schwierig ist und applaudiert, wenn ich im Mittelpunkt stehe. Die Wahrheit ist, ich hab gefühlt bereits genug fürs andere Geschlecht zurückgesteckt, it is my time to shine.

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