Gerade noch haben die ersten Knospen geblüht, die Tage sind länger geworden und die Temperaturen gestiegen und nun stehen wir gefühlt über Nacht mitten im Weihnachtsstress, das neue Jahr steht vor der Tür und es wird Zeit zu reflektieren, bevor ich mich in den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester ein wenig zurückziehen und zur Ruhe kommen werde. Tja, das war ein Jahr, hätte meines werden sollen, war’s aber nicht und das ist auch okay. Ein ganzes volles Jahr als Single, die30erin feiert demnächst Jahrestag, 12 Monate alleine in einer Wohnung, 365 Tage ich mit mir. Es war ein Jahr, vor dem ich Angst hatte, an das ich viele Erwartungen und Wünsche geknüpft hatte und das dann einfach so gekommen ist, wie es wollte, mit den Höhen und Tiefen, den Erfolgen und dem Scheitern.
4 Jahreszeiten und viele Gefühle.
DÜSTER. Viele glauben jetzt vielleicht, dass ich dramatisch bin, aber 2021 hat für mich richtig düster begonnen. Ich hab zu Silvester geweint, zu Neujahr und praktisch den gesamten Jänner. Ein Neustart hätte es sein sollen und trotzdem waren die ganzen alten Gefühle da, das erste Silvester ohne meinen Freund, ein Neujahr im Lockdown, alle (!) waren in Beziehungen und ich hab mich in meiner sonst so vertrauten Welt wie ein Alien gefühlt. Die kurzen Tage, die lange Dunkelheit, das ständige Zuhausesein, ein Verschmelzen von Arbeit und Freizeit, keine musikalischen Projekte, das alles war sehr zäh und auch schmerzvoll, weil ich viel zu viel Zeit hatte, um nachzudenken und zu grübeln. In keinem anderen Monat bin ich so viel spazieren gegangen wie im Jänner, egal wie kalt oder grauslig es war, ab dem späten Nachmittag fühlten sich die Wände meiner Wohnung bedrohlich an und ich musste raus. Gehen, weinen, atmen, mich neu sortieren und am nächsten Tag wieder von vorne anfangen.
HOFFNUNGSVOLL. Mit dem Frühling, den ersten Kirschblüten vor meinem Küchenfenster und ein wenig Normalität, kehrte auch die Hoffnung zurück. Mein Geburtstag war schön, obwohl ich Angst vor ihm hatte, die Zeit alleine zuhause fühlte sich nicht mehr so belastend an und langsam traute ich mich sogar, Pläne für den Sommer zu schmieden. Der Blog ging online im Frühling, auch das war ein großer Schritt, ebenso wie in der Therapie in tiefere Gewässer vorzustoßen. Zu dieser Zeit hatte ich wieder erste Momente, in denen ich mich stark fühlte, in denen die Schultern leicht und der Herzschlag ruhig waren. Das Frühjahr hat sich hoffnungsvoll angefühlt, vermutlich weil die Jahreszeit auch dieses Gefühl spiegelt, es war schön die Lichtblicke zu erkennen und endlich ein bisschen Leichtigkeit zu verspüren.
UNBESCHWERT. Und dann war er da, der Sommer, viel zu schnell gingen die längsten Tage des Jahres vorbei, viel zu viel wollte ich erleben und in diesem Sommer unterbringen. Es war schön, ich war unbeschwert und Stück für Stück schien sich das Puzzle zusammenzufügen. In diesem Sommer war ich zweimal in Spanien mit Freundinnen, hab La Dolce Vita am Strand und in den traumhaften Gassen zelebriert, neue Bekanntschaften gemacht, tolle Musikprojekte angenommen, fremde Lippen geküsst und mich – vielleicht überhaupt zum allerersten Mal – ganz bei mir gefühlt. In den Sommermonaten hatte ich richtig schöne Dates, vielleicht hätte aus der alten Liebe sogar wieder eine neue werden können, vielleicht war aber auch die Zeit noch nicht reif, um meinen Blick von mir wieder auf jemanden anderen zu lenken. Ich war richtig glücklich mit mir, meinem Sein und der Situation, in der ich mich befand.
WEHMÜTIG. So schön der Sommer auch war, so schnell sind mit der kühleren Jahreszeit wieder die schweren Gedanken gekommen. Warum? Das ist praktisch die Dauerfrage meines Daseins, warum sind andere weiter, warum fühle ich mich manchmal so klein, warum habe ich diese Unsicherheiten in mir, warum mache ich mir so viele Gedanken, warum schaffe ich nicht mehr, warum ist dieses Leben manchmal so ungerecht? Wenn ich das so aufschreibe, sind mir diese Fragen selbst zu mühsam, aber sie sitzen in der Ecke und schreien jedesmal laut, wenn mein Nervenkostüm etwas dünner wird. Im Moment ist es praktisch durchsichtig, die innere Unruhe macht sich wieder breit, das Jahr war zu kurz, ich bin noch gar nicht bereit, wieder neu zu starten!
Kleine Siege und offene Kisten.
Im Moment versuche ich mich an den kleinen Siegen festzuhalten, mir selbst die beste Cheerleaderin zu sein und mir auf die Schulter zu klopfen. Ich war mutig dieses Jahr, hab mich mir selbst und meinen Ängsten gestellt, meine Muster zum Teil gesprengt und meine Comfortzone verlassen. Immer öfter kann ich nein sagen, für mich selbst einstehen und aushalten, dass das nicht immer allen passt. Die Stille ist wieder zu meiner Freundin geworden, ich mag es, wenn es leise ist und ich meine Gedanken hören oder ein Buch in Ruhe lesen kann.
Netflix ist nun ein Genuss statt eine pure Betäubung und ich habe endlich einen Stabmixer. Über ein Jahr gab es keine Suppe für mich, weil es sich zu furchtbar angefühlt hatte, einen eigenen zu kaufen, was hätten wir denn mit zweien gemacht, wenn wir wieder zueinander gefunden hätten? Ob sich ein Mann jemals solche Gedanken macht, vermutlich nicht. Die Gönnung, die bereits letztes Jahr begonnen hatte, habe ich fröhlich weiter zelebriert. Nicht nur in Form von schönen Dingen, sondern auch in Form von Hilferufen, wenn es mir nicht so gut ging.

Nun, es gibt aber auch noch Altlasten und ich weiß nicht, ob ich die bis zu Silvester beseitigen kann. Die fucking Steuererklärung sitzt mir nach wie vor im Nacken, ebenso eine elendslange Aufgabenliste. Auch einige Trennungsgefühle sind noch da, ein Groll sitzt tief und bereitet mir im Moment wortwörtlich Magenschmerzen, einiges müsste ich noch einmal in Worten auskotzen, damit es endlich ruhen kann. Meine Bedürftigkeit würde ich gerne in eine Kiste packen und mit Sicherheitsschloss verschließen, immer wieder kriecht diese hervor, lässt mich klein und abhängig werden, flüstert mir ins Ohr – wenn doch nur der eine kommen würde und mir 24/7 sagt, wie toll ich bin und dass er mich nicht im Stich lassen wird. Wo ist das Problem, bei allen anderen klappt das doch auch?
Das ist vermutlich meine größte Baustelle, die mich auch 2022 noch viel begleiten wird: Bei mir ist es gerade so, bei anderen eben anders, ich wünsche mir manches, aber so ist es auch schön. Manchmal bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich alles gern anders hätte. Eine Beziehung, Haus und Kinder als mein oberstes Lebensziel zu definieren, scheint ein bisschen in mein Gehirn gebrannt zu sein, fragt sich nur warum und woher. Klar ist es schön, ein Leben zu teilen und das wünsche ich mir auch für die Zukunft, aber bis dass der Tod uns scheidet klingt verdammt lange, warum nicht später anfangen und den Ist-Zustand in vollen Zügen und im Jetzt genießen.

Ein Resümee?
Es lässt sich erahnen, das Jahr war durchwachsen. Ich hab nicht alles so geschafft, mich nicht immer so verhalten und nicht alles so riskiert, wie ich es mir vorgenommen hatte, aber ich bin besser rausgekommen als ich reingerutscht bin, hab einige Hürden überwunden und das erscheint mir vorerst genug. Ich hoffe, dass ihr mit eurem Jahr auch zufrieden seid, die kleinen Siege ordentlich zelebriert, den Baustellen mit einem Lächeln zuzwinkert und euch sicher fühlt, dass schon alles so kommen wird, wie es kommen soll.
Nach einem Jahr mit vielen Ups und Downs verabschiedet sich die30erin in die Winterpause. Ich wünsche euch schöne Weihnachten, erholsame Feiertage, genügend Punsch und Kekse, wenig unangenehme Verwandtschaftstreffen und vor allem eine tolle Zeit mit euch selbst und euren Liebsten. Wenn ihr mir ein kleines Geschenk dalassen wollt, dann drückt das Herz und schreibt mir doch in den Kommentaren oder auch als persönliche Nachricht, welche Kategorie / welche Beiträge euch in diesem Jahr am besten gefallen und am meisten geholfen haben. Darüber würde ich mich sehr sehr freuen! <3
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